Presseerklärung des BUND-Regionalverbandes Südlicher Oberrhein, Freiburg:
2.8.2000
Auch im Breisgau: Die FFH-Richtlinie schlägt zu

Fast täglich beklagen sich Kommunalpolitiker, Vertreter von Landwirtschaft
und Industrie, im Breisgau, über die "neue" FFH-Richtlinie
(Flora-Fauna-Habitatrichtlinie). Dabei ignorieren sie, dass im
dichtbesiedelten Breisgau angesichts zunehmender Zersiedelung die Pflanzen-
und Tierwelt (Flora und Fauna) und ihre Lebensräume (Habitate) die
eigentlich "Bedrohten" sind.
Gerade in der Maissteppe der Rheinebene und in dem zunehmenden
Siedlungsbrei im Umfeld Freiburgs, werden die naturnahen Gebiete stetig
kleiner. Ein kleines Beispiel für diese Entwicklung ist das "langsame"
Aussterben des Brachvogels in unserer Region. Von 150 Paaren, die Mitte der
70er Jahre noch in der Ortenau und den angrenzenden Gebieten brüteten, sind
noch 50, extrem bedrohte, Paare übrig.

Weshalb jetzt allerorten ein Aufschrei, wo doch bereits 1992 die damals
amtierende Bundesregierung der FFH-Richtlinie zustimmte? Nicht nur in Baden
Württemberg folgten der Absicht, mit Hilfe der FFH- und der
Vogelschutzrichtlinie ausgewählte Lebensräume im europäischen
Schutzgebietssystem "NATURA 2000" zu vernetzen, jahrelang keine Taten -
weder hinsichtlich der Gebietsauswahl noch der Öffentlichkeitsarbeit.

Im gemeinschaftsweiten Vergleich belegt die Bundesrepublik Deutschland
trotz gewisser Fortschritte gemeinsam mit Belgien den letzten (!) Platz.
Bislang wurden nur 3,0 % der Bundesfläche nach Brüssel als FFH-Gebiet
gemeldet, wobei zahlreiche, fachlich geeignete Flächen noch gemeldet werden
müssen. Die Niederlande meldeten bislang 17 %, Griechenland 20 % und
Dänemark sogar knapp 24 % der jeweiligen Landesfläche als FFH-Gebiete
(Stand 17.3.2000). Unverständlich ist auch, warum mit der Novellierung des
Bundes-naturschutzgesetzes von 1998 die Richtlinie nicht ausreichend
umgesetzt und eine kostspielige Verurteilung durch den Europäischen
Gerichtshof riskiert wurde.

Eigentlich war das Land verpflichtet, entsprechende Gebiete bis 1995 über
das Bundesumweltministerium der EU- Kommission zu melden. Erst nach
Androhung drastischer finanzieller Strafen durch die EU wurde hopplahopp
eine - nach Ansicht von BUND und anderen Naturschutzverbänden -
unvollständige und fehlerbehaftete Liste aufgestellt. Die unprofessionelle
Umsetzung der Richtlinie ist nicht zuletzt auf die Demontage des
staatlichen Naturschutzes zurückzuführen. Hier zeigt sich deutlich, dass es
ein Fehler ist, die Bezirksstellen für Naturschutz- und Landschaftspflege
so zu schwächen. Da die Landesregierung im Vorfeld Bürger und Verbände
unzureichend in das FFH-Verfahren einbezogen hat, ist deren Unmut die
logische Konsequenz. Das Ansehen von Naturschutz und europäischer Politik
nimmt Schaden, das "Kirchturmdenken" FFH-genervter Kommunalpolitiker wird
gefördert.

Allen Widerständen zum Trotz: Die Auswahl der zu meldenden Gebiete von
gesamteuropäischer Bedeutung richtet sich allein nach naturschutzfachlichen
Kriterien:
Dazu zählen der Erhaltungsgrad und die Grösse z. B. eines Trockenrasens
oder seine Funktion als Lebensraum für Pflanzen und Tiere der FFH-Liste.
Politisch-strategische Überlegungen oder
Bauvorhaben, die nicht bereits planfestgestellt sind, dürfen also nicht zu
einer "Vorzensur" der Vorschlagsliste führen. In bereits gemeldeten NATURA
2000-Gebieten sind erhebliche Beeinträchtigungen aus zwingenden Gründen
öffentlichen Interesses erlaubt, falls es keine
Alternativlösungen gibt. Außerdem können erhebliche finanzielle Mittel im
Rahmen von Pflege- und Wiederherstellungsmaßnahmen aus Brüssel
(Life-Projekte) in Anspruch genommen werden.

Was bei Bürgermeistern, Gemeinderäten, Landwirten und Sportvereinen kaum
bekannt ist: Im Vergleich zu Naturschutzgebieten (in denen bestimmte
Eingriffe grundsätzlich verboten sind) ist in FFH-Gebieten Nutzung und
kommunale Entwicklung erlaubt, wenn sie die konkreten Erhaltungsziele nicht
beeinträchtigt.

Ausserdem ist laut der Informationsbroschüre der Landesanstalt für
Umweltschutz "NATURA 2000" eine Schutzgebietsausweisung als NSG oder LSG
nicht vorgesehen, wenn z. B. Vertragsnaturschutz die gleiche Funktion
übernehmen kann. Es sprechen noch weitere Gründe für NATURA 2000:
-Potentielle FFH-Flächen beherbergen nicht selten aufgrund ihres
Nährstoffmangels oder hoher Bodenfeuchte schützenswerte Arten und sind
wenig ertragreich. Gerade dies macht sie jedoch nicht nur für den
Naturschutz sondern auch für den Nutzer wertvoll. Denn Programme der EU und
des Landes (LIFE, MEKA u.a.) fördern finanziell die naturverträgliche
Bewirtschaftung auf diesen Flächen. Unsere dänischen Nachbarn haben diese
Gelegenheit beim Schopf ergriffen: Dort haben vor allem die Landwirte
veranlasst, dass 24 % der Landesfläche als NATURA 2000 - Gebiete gemeldet
wurden!

- NATURA 2000 ist nicht nur eine europäische Verpflichtung, wie das
Ministerium für den ländlichen Raum richtig erkannt hat, sondern bietet
Baden-Württemberg die Chance, seine vielfältige Kultur- und Naturlandschaft
verstärkt für umweltverträglichen Tourismus zu nutzen. Die "Fantastischen
Flächen unserer Heimat" und ihre vielfältige Tier- und Pflanzenwelt sind
also auch im FFH-Mantel keine Bedrohung! Er verhindert nicht zuletzt, dass
kleine, bisher isolierte Naturschutzgebiete von Erholungssuchenden
überlaufen werden. Oder das Familien immer grössere Strecken (meist mit dem
PKW) zurücklegen müssen, um mit ihren Kindern Natur zu erleben.

Weitere umfangreiche Hintergrundinfos zum Thema FFH, einschließlich aller
wichtigen Karten, finden Sie und Ihre LeserInnen über die regionale
BUND-Homepage. .