Gemeinsame Stellungnahme aller nach §60 BNatSchG (neu) anerkannten Verbände

erarbeitet vom Arbeitskreis Emmendingen des Landesnaturschutzverbandes (LNV).

2004-12-29


Wir lehnen den Bebauungsplan "Rohrlache III", wie auch der Pressemitteilung vom 27.10.2004 in der Badischen Zeitung zu entnehmen ist, völlig ab. Folgende Kriterien und Gesichtspunkte sind dabei ausschlaggebend:

1. Die Rodung und Überbauung eines ca. 14 ha großen wertvollen Auenwaldes für die Schaffung eines Industriegebietes, das allein der Erweiterung der Firma Graf dient, ist aus unserer Sicht nicht ausgleichbar. Die dabei zerstörte Natur steht in keinem Verhältnis zu den geplanten Ausgleichs-maßnahmen. Ein in Jahrhunderten gewachsener grundwassernaher Auenwald, eingebunden in ein Band ähnlich strukturierter Auenwälder (im Norden der Unterwald, im Süden autobahnnaher Wald in der Teninger Allmend) soll heraus gelöst und zerstört werden und durch weit verstreute Aufforstungen auf Teninger Gemarkung ausgeglichen werden. Diese Aufforstungen beanspruchen selbst wieder z.T. wertvolle Wiesenstandorte, die verloren gehen, so dass insgesamt die Negativbilanz nicht ausgeglichen wird.

2. Die Schaffung von 100 neuen Arbeitsplätzen ist eine reine Absichtserklärung. Ob diese Zahl in den folgenden Jahren erreicht wird, ist erfahrungsgemäß für Behörden und Öffentlichkeit von geringem Interesse, da ja die Werksanlagen dann bereits vorhanden sind. Die Firma Graf lässt auch offen, in welchem Umfang Arbeitskräfte aus Dachstein/Elsaß nach Teningen abgezogen werden und ob im alten Werk mit Entlassungen und Arbeitslosigkeit zu rechnen ist. Wenn dies zutrifft, würde die ganze Transaktion dann sehr an das "Floriansprinzip" erinnern.

3. Die Gemeinde Teningen behauptet, dass es keine Alternativstandorte für die Werkserweiterung gegeben habe. Eine wünschenswerte Erweiterung des Gewerbegebietes "Rohrlache" nach Osten sei an den Widerständen der Landwirtschaft gescheitert. Leider sind weder in den Antrags-unterlagen noch in den Anhörungen irgendwelche Zahlen für einen notwendigen Grunderwerb in diesem Bereich genannt worden, so dass man annehmen muss, dass die Inanspruchnahme des Waldes für die Firma und die Gemeinde die billigste und bequemste Lösung ist. Weiter ist zu vermuten, dass diese Lösung auch deshalb nicht näher untersucht wurde, weil für die Firma Graf dann unerwünschte Transportwege zwischen altem und neuen Betriebsgelände entstanden wären.

4. Leider ist die Frage bis heute offen geblieben, inwieweit es der Firma Graf zuzumuten ist, ihre Behälter auch in Regalen und damit platzsparend zu lagern. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass auf dem jetzigen Betriebsgelände noch eine Freifläche (mit Rasen) und auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine seit Jahren ungenutzte und eingezäunte Freifläche (als Grünfläche) der Firma vorhanden ist.

5. In den Augen der Öffentlichkeit und damit auch aller am Naturschutz interessierten Bewohner im Landkreis stößt es auf völliges Unverständnis, dass die Meldung des Waldstücks in der Rohrlache als FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) von der Kreis-, Regierungsbezirks- und Landesbehörde zurück genommen wurde, um den Weg für die Rodung des Auenwaldes frei zu machen. Es ist unfasslich, dass Behörden, die eigentlich für den Schutz der Natur verantwortlich sind, dem politischen Druck nachgeben und mit ihrer Entscheidung genau das Gegenteil, nämlich Natur-zerstörung, bewirken.

6. Es spricht wenig für ein faires und neutrales Verfahren, wenn der Landrat im Bild mit dem Firmenchef und dem Bürgermeister (Emmendinger Tor 36/04) das Vorhaben ausdrücklich begrüßt (siehe auch BZ vom 26.08.04), obwohl die ihm unterstellten Fachbehörden noch gar nicht endgültig Stellung genommen haben,. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren nur noch Alibifunktion hat und objektive Stellungnahmen wegen Befangenheit nicht mehr möglich sind.

7. Die Naturschutzverbände nehmen Anstoß an der übertriebenen Eile, in der das Verfahren durch-geführt wird und das sich offensichtlich an der Forderung der Firma Graf orientiert, schon Anfang 2005 mit den ersten Arbeiten beginnen zu wollen. Am 29. Juni 04 erfolgte der Aufstellungs-beschluss. Von 26. Juli bis 7. September wurden die Träger öffentlicher Belange informiert, nicht jedoch die Naturschutzverbände. Diese erfuhren erst im Oktober von der Planung aus der Presse. Erste genauere Informationen erhielten einige Naturschutzvertreter auf einer eiligst und sehr kurz-fristig anberaumten Informationsveranstaltung am 12. November. Die dazu gehörigen Unterlagen gingen erst Ende November an die Naturschutzverbände zur Stellungnahme.
Wie sollen sich engagierte Naturschützer an Ort und Stelle über die Wertigkeit der Rohrlache und die Ausgleichsmaßnahmen informieren, wenn dafür nur wenige Wochen im Dezember, also im Winter, zur Verfügung stehen? Wir sind der Meinung, dass, wenn die Gemeinde und die Planer ein wirkliches Interesse an der Mitwirkung und Freilanderfahrung der Naturschützer gehabt hätten, sie dann auch Mittel und Wege gefunden hätten, diese frühzeitig an den Planungen zu beteiligen. Im Hinblick auf die eher dünnen und lückenhaften Angaben der Planungsgruppe Landschaft und Umwelt hätten Fachleute der Naturschutzverbände gerne noch im Sommer und Herbst vegetationskundliche, ornithologische und mykologische Daten über das Planungsgebiet gesammelt, was durch die hektische Verfahrensweise und die sehr späte Beteiligung beabsichtigt oder unbeabsichtigt verhindert wurde.

8. Der besondere Wert des Auenwaldes, der Industriegebiet werden soll, liegt darin, dass neben den Eichen-Hainbuchenwald-Beständen im Süden im nördlichen Teil auch sehr grundwassernahe seggenreiche Erlen-Eschenbestände (in einer feuchten Ausbildung des Pruno-Fraxinetum) vorhanden sind, die nach § 24a NatSchG als Feuchtgebiete einzustufen sind. Sie sind auch in einem mehr oder weniger breiten Streifen entlang der Fernlache entwickelt. Herausragende Vogelarten sind hier die Waldschnepfe und in den unterholzreichen Beständen die Nachtigall. Falsch ist daher die Aussage der Planungsgruppe Landschaft und Umwelt im Grünordnungsplan (S. 3): "Die vorhandenen Bestände setzen sich dabei weitestgehend aus Baumarten des Stieleichen-Hainbuchenwaldes zusammen". Und weiter unten: "Eine Ermittlung der Einzelbestände ist nicht erforderlich, da sich diese bezüglich der Bewertung nicht unterscheiden". Eine solche Beurteilung kann nur vom Schreibtisch aus erfolgt sein, denn im Gelände sind diese nassen Bereiche mit Massenbeständen der Sumpfsegge (Carex acutiformis) sogar vom Fahrweg aus nicht zu übersehen! Es ist sehr unwahrscheinlich, dass als Ausgleichsmaßnahmen ähnlich nasse Bereiche für die Aufforstung gefunden werden.

9. Der nördliche Teil der Rohrlache ist nach europäischem Recht ein prioritärer Lebensraum mit der Bezeichnung LRT 91EO (FFH-Code für diesen Lebensraumtyp). Da das benachbarte Gebiet der Teninger Allmend (ohne Rohrlache) als FFH-Gebiet gemeldet werden soll, muss für die Rohrlache selbst eine umfassende FFH-Prüfung gefordert werden.

10. Im Grünordnungsplan (S.3) heißt es lapidar: "Die Grundwasserstände schwanken zwischen 1-2 m unter Flur". Mit keinem Wort wird die Herkunft dieser Angaben belegt. Es gibt keinerlei Angaben, wann und wie lange die Gemeinde den Grundwasserstand gemessen hat und wo die Messpunkte liegen. Inwieweit sind die Ergebnisse durch das Wasserwirtschaftsamt geprüft und bestätigt? Wie kann das optimale Wachstum der Esche und die nassen Bereiche mit der Sumpf-segge erklärt werden, wenn das Grundwasser 1-2 m unter Flur ansteht? Nach Auskunft von Herrn Weis, Teningen, sollen Wasserwirtschaftler das im nördlichen Bereich hoch anstehende Wasser als "artesisches" Wasser bezeichnet haben. Warum schweigt der Grünordnungsbericht über alle diese Fragen? warum bleiben die von G.HÜGIN* (1982, 2.Aufl. 1990) veröffentlichten Grund-wasserangaben für die Rohrlache (25-65 cm unter Flur für die Eschenwälder, 65-110 cm für die Eichen-Hainbuchenwälder) unerwähnt? Wie erklärt man sich die Differenz zu den Zahlen im Grünordnungsbericht? Warum wird diese grundlegende Arbeit von dem Planungsbüro weder inhaltlich noch als Quellenangabe (Literatur) zitiert? Sie ist auch für die unter Nr. 8 gemachten Aussagen eine wichtige Grundlage. Aus allem folgt, dass der Grünordnungsbericht und der Umweltbericht in Teilen oberflächlich, fehler- und lückenhaft sind und nicht als zuverlässige Bewertungsgrundlage im Sinne einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung dienen können.

11. Die geplante Umleitung der Fernlache ist mit gravierenden Mängeln verbunden, da der Bach am westlichen Rand des Plangebietes völlig isoliert zwischen Autobahn, bzw. späterer Bundesbahn und Industriegebiet zu liegen kommt. Laichende Amphibien finden beidseitig keinen Lebensraum. Wegen der größeren Streckenlänge ist die Fließgeschwindigkeit geringer, und es bietet sich an, den Bach mäandrieren zu lassen, wozu aber der schmale Uferstreifen (je 5 m) kaum Platz bietet.

12. Der Wald bietet bisher Schutz vor dem Verkehrslärm der Autobahn. Auch filtert er Staub und bindet Abgase. Nach der Rodung können Lärm, Staub und Abgase wegen der vorherrschenden Westwindlagen ungehindert nach Teningen eindringen.

13. Die Flächen für Kompensationsmaßnahmen (Aufforstungen) werden folgendermaßen beurteilt: Unproblematisch sind die Acker-Flächen Nr. 1 (obwohl das Grundwasser weit unter Flur liegt und daher kein echter Ausgleich vorliegt), die Flächen Nr. 3, 4 und 7 (grundwassernah; Nr. 7 enthält eine wertvollere Feuchtwiese. Problematisch ist Nr. 2, weil hier Wiesen betroffen sind, die in diesem Gebiet zu Gunsten von Ackerflächen fast völlig verschwunden sind, die etlichen Vogel-arten Brut- oder Nahrungsraum bieten und die das Landschaftsbild bereichern (Wechsel von Wald, Wiese und Ackerland). Völlig abzulehnen ist die Fläche Nr. 5. Sie ist ein Kernstück der wertvollen Wiesenlandschaft in der Glotterniederung. Hier wechseln Feuchtwiesen mit Hecken. Zu den markanten Brutvögeln zählen Schwarzkehlchen, Neuntöter, Dorngrasmücke, Feldschwirl, Sumpf- und Teichrohrsänger, Feldlerche, Nachtigall und Großer Brachvogel.
Wegen der nahen Gemarkungsgrenze ist das Gebiet kaum durch Wege erschlossen und stellt für viele Tiere ein ruhiges und wichtiges Rückzugsgebiet dar.
Weitere Schutzgründe können auch der ausführlichen Stellungnahme der Naturschutzverbände gegen einen Golfplatz zwischen Bahlingen und Teningen (vom 20.05.2000) entnommen werden. Wenn auch Argumente dafür sprechen, die wertvollen Feuchtwälder des benachbarten Natur-schutzgebietes "Unterwald" nach Westen auszudehnen, so sollte hier doch die Erhaltung einer reich strukturierten und artenreichen Wiesenlandschaft, die nur noch selten zu finden ist, Vorrang haben. Bei Fläche Nr. 6 ist kein merklicher Flächengewinn erkennbar, da der Teich ja erhalten bleibt und der Wald bis an die Wasserfläche reicht. Fläche Nr. 8 ist keine echte Kompensations-maßnahme, da eine moderne Waldwirtschaft nach ihrer eigenen Zielsetzung seit längerer Zeit schon Pappelforste umstrukturiert, vor allem dann, wenn sich. wie in diesem Fall, im Unterwuchs und im Zwischenstand bereits ein naturnaher Erlen-Eschenwald entwickelt hat. Es ist offensichtlich, dass die Maßnahmen allein zur Verbesserung der Ausgleichsbilanz herhalten müssen.

 

-----------------------
*Literatur: Hügin G. (1982, 2.aufl. 1990): Die Mooswälder der Freiburger Bucht. Wahrzeichen einer alten Kulturlandschaft gestern - heute - und morgen? 88 S. LfU Karlsruhe.