Gemeinsame Stellungnahme aller nach §60 BNatSchG (neu) anerkannten Verbände

erarbeitet vom Arbeitskreis Emmendingen des Landesnaturschutzverbandes (LNV).

2005-01-20


Die Naturschutzverbände haben erhebliche und fachlich begründete Zweifel, ob sich die geplante Änderung des Flächennutzungsplanes mit europäischem Naturschutzrecht in Einklang bringen lässt.

1. Die FFH-Gebietsmeldung des Landes Baden-Württemberg ist nach Auffassung der EU-Kommission derzeit noch nicht abgeschlossen. Daran ändert auch nichts, dass das Land im Mai 2004 eine neue, umfangreichere Gebietskulisse der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Bis zum Vorliegen einer endgültigen Gebietskulisse müssen geeignete Gebiete als "potentielle FFH-Gebiete" behandelt werden, sofern sie die Kriterien für eine Aufnahme in die Gemeinschaftsliste erfüllen. Damit werden nach unserer Auffassung die sich aus Art. 6 Abs. 2-4 FFH-RL ergebenden Schutz- und Erhaltungspflichten für das überplante Gebiet Rohrlache III, aktiviert.

2. Auf Grund der Tatsache, dass im Gebiet Rohrlache III ein prioritärer Lebensraum vorkommt (Lebensraumtyp 91E0), dürfen überhaupt nur "Erwägungen in Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit" geltend gemacht werden, um die strengen Schutzvorgaben der FFH-RL zu umgehen. Die Erweiterung eines Industriegebietes dient zweifellos nicht der Gesundheit des Menschen oder der öffentlichen Sicherheit. Die FFH-Schutzwürdigkeit der betroffenen Fläche lässt sich zudem zwanglos daraus ableiten, dass sie ursprünglich als Teil des FFH-Gebietes "7912-341 Glotter und Nördlicher Mooswald" an die Kommission gemeldet werden sollte und erst nach massivem politischen Druck am Ende des Konsultationsverfahren wieder ausgegliedert wurde.

3. Die Suche nach Alternativflächen für die Erweiterung der Firma Graf wurde u.E. nicht konsequent betrieben. Nordöstlich des bereits bestehenden Gewerbegebietes sind ausreichend Flächen vorhanden. Schwierige Grundstücksverhältnisse und betriebsökonomische Erwägungen der Firma Graf rechtfertigen es jedenfalls nicht, einen prioritären Lebensraum zu zerstören.

4. Nach den uns vorliegenden Scoping-Unterlagen für den Ausbau der Güterbahn (3. und 4. Gleis), ist das Gebiet Rohrlache III umfangreich und nach den einschlägigen Vorgaben für FFH-Verträglichkeitsprüfungen untersucht worden. Wir fordern, dass die entsprechenden Ergebnisse der Untersuchung in die Bewertung einfließen. Es kann u.E. nicht sein, dass eine fachlich sehr fragwürdige FFH-Verträglichkeitsabschätzung als Grundlage für die Bewertung dieser ökologisch und naturschutzrechtlich höchst problematischen Änderung des FNP dient, wenn wesentlich detailliertere Untersuchungen vorhanden sind.

5. Wir halten es für notwendig, auf erhebliche fachliche Fehler der FFH-Verträglichkeitsabschätzung und des Umweltberichtes hinzuweisen. Die knappen zeitlichen Vorgaben des Auftraggebers (Gemeinde Teningen) sind keine ausreichende Begründung für fachlich ungenügende Arbeit. Im Zweifelsfall muss das betreffende Planungsbüro einen solchen Auftrag dann ablehnen, wenn es ihn personell, fachlich oder zeitlich nicht bearbeiten kann.

- Laut FFH-Verträglichkeitsabschätzung kommen im Gebiet keine prioritären Lebensraumtypen vor (S. 8). Dies ist nachweislich falsch. Mehrere Experten haben uns unabhängig voneinander bestätigt, dass LRT E910 im Gewerbeerweiterungsgebiet vorkommt.

- Laut FFH-Verträglichkeitsabschätzung kommt im Gewerbeerweiterungsgebiet kein Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald (LRT 9160) vor (S. 9). Auch dies ist falsch.

- Die FFH-Verträglichkeitsabschätzung und der Umweltbericht vermitteln eindeutig den Eindruck, das geplante Vorhaben hinsichtlich seiner Auswirkungen auf Lebensräume, Pflanzen und Tiere unverantwortlich zu bagatellisieren.

- Die Behauptung, dass bei Bachneunauge, Hirschkäfer und grünem Besenmoos (angeblich) keine aktuellen Nachweise vorliegen, entbindet nicht der Pflicht, dies zu prüfen. Pläne und Projekte, die eine erhebliche Beeinträchtigung eines FFH-Gebietes verursachen können, müssen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden (Art.6 Abs. 3 FFH-RL).

- Bezüglich der Fledermaus-Vorkommen wird in der FFH-Verträglichkeitsabschätzung immer wieder auf einen Schriftwechsel mit der LfU hingewiesen. Bei aller Wertschätzung der LfU, lokale Fledermaus-Experten (z.B. Dr. Robert Brinkmann) verfügen in aller Regel über sehr viel aktuellere, detailliertere und bessere Informationen. Da diese lokalen oder regionalen Experten im Gutachten nicht erwähnt werden, müssen wir davon ausgehen, dass sie nicht befragt wurden. Die im Gutachten getroffenen Aussagen zur Erheblichkeit des Projektes für Fledermäuse sind daher unvollständig und erlauben keine Abschätzung der Erheblichkeit des Vorhabens!

- Völlig unbeantwortet bleibt die Frage, wie sich die Erdbewegungen und Aufschüttungen im Gebiet Rohrlache III auf das südlich angrenzende FFH-Gebiet auswirken werden. Die Aufschüttungen bleiben wahrscheinlich nicht ohne Wirkung auf das Grundwasserregime in angrenzenden Gebieten. Die Behauptung, dass bau-, anlage- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der FFH-Lebensraumtypen im FFH-Gebiet 7912-341 "Glotter und Mooswald" durch die Erweiterung des Gewerbegebietes nicht auftreten, ist ohne vorherige fachliche Prüfung grob fahrlässig.

- Laut Umweltbericht sind "nach Auskunft der LfU und weiterer Fachexperten" im Plangebiet keine besonderen Tierarten bekannt. Wir haben erhebliche Zweifel, ob tatsächlich Fachexperten befragt wurden. Wir fordern daher die Gemeinde Teningen auf, uns die Liste der Fachexperten zur Verfügung zu stellen.

- Das von der Erweiterung betroffene Waldstück ist potentieller Lebensraum des Schwarzspechtes und des Mittelspechtes. Diesbezügliche Untersuchungen wurden nicht getätigt, obwohl beide Arten im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie gelistet sind!

- Wie das Gutachten zur FFH-Verträglichkeitsabschätzung selber einräumt (S. 21), wurden die möglichen Beeinträchtigungen von FFH-Arten auf der "Basis von vermuteten Vorkommen" ermittelt. Die "Vermutungen" wurden dabei allerdings immer so formuliert, dass sie das für den Antragsteller günstigste und erwünschte Ergebnis erbringen (keine Erheblichkeit des Eingriffs). Eine ergebnisoffene Abschätzung der Erheblichkeit des Vorhabens ist damit nicht erfolgt. Das Gutachten ist für die vorliegende Fragestellung daher unbrauchbar.

6. Wir lehnen die Änderung des FNP aus ökologischen und naturschutzrechtlichen Gründen ab und fordern die Gemeinde erneut auf, zeitnah nach Alternativflächen zu suchen. Sollte die Gemeinde an ihrem Vorhaben dennoch festhalten, die Änderung des FNP im Gebiet Rohrlache III durchzuführen, muss eine echte FFH-Verträglichkeitsprüfung im Vorfeld stattfinden. Zu den Vorkommen prioritärer Arten und Lebensraumtypen muss das Gutachten des Bahnausbaus hinzu gezogen werden.

7. Wir erlauben uns darauf hinzuweisen, dass wir angesichts der Brisanz und des möglichen Modellcharakters des Verfahrens für die gesamte Oberrheinebene, die EU-Kommission über den Fortgang des Verfahrens unterrichten werden.

8. Bei der Bürgeranhörung am 04.11.2004 teilte Bürgermeister Jäger auf eine Zuhörerfrage mit, dass die Gemeinde für die zusätzliche Beanspruchung von 13 ha Fläche (im Gebiet Rohrlache III) auf entsprechende Gewerbeflächen, die im derzeitigen FNP schon genehmigt sind, verzichten würde. Um so überraschender ist der Satz auf S.6 des Erläuterungsberichtes: "Zur Reduzierung der Gewerbeflächenpotentiale beabsichtigt die Gemeinde Teningen künftig auf das Gebiet "Rohrlache II" zu verzichten". Man beachte:
a) Es handelt sich um eine Absicht, nicht um eine verpflichtende Erklärung.
b) Die Fläche in Rohrlache II umfasst nur 5 ha, nicht 13 ha.
c) Der Verzicht bezieht sich auf eine Fläche, die nach Aussage der Gemeinde wegen Widerständen aus der Landwirtschaft ohnehin nicht als künftiges Gewerbegebiet in Frage kommt.
Daraus folgt, dass die Gemeinde in Wirklichkeit auf gar nichts verzichtet und dass man gegenüber vollmundigen Erklärungen in der Öffentlichkeit misstrauisch sein muss.