10. September 2011, Kommentar Gollrad, BZ Flächenverbrauch ÜBRIGENS: Die Weichen neu stellen Der Ortschaftsrat Wagenstadt hält trotz vieler kritischer Stimmen an seinem Ziel fest, im Steinacker ein Gewerbegebiet einzurichten. Dafür führen die Räte nach einem Treffen mit Vereinsvertretern und Gewerbetreibenden in ihrer jüngsten Erklärung eine Reihe von Gründen ins Feld, die den Flächenverbrauch rechtfertigen sollen. Die Argumente sind weder neu, noch haben sie an Überzeugungskraft gewonnen. Vielmehr entsteht der Eindruck: Jetzt erst recht. Wenn die Wagenstadter das Gewerbegebiet, das sie seit langem wünschen, nun auch bekommen können, lassen sie es sich von Naturschützern und Bürgern aus Herbolzheim oder anderen Ortsteilen nicht ausreden. Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern prallten in den vergangenen Wochen recht unversöhnlich aufeinander und es ist zu befürchten, dass sich diese Tendenz noch verstärken wird. Für Kritiker der Herbolzheimer Expansionspolitik ist die geplante Gewerbeansiedlung sicher kein schlechtes Thema rund neun Monate vor der Bürgermeisterwahl. Sie sehen Ernst Schilling in der Pflicht, hier zu vermitteln und eine vernünftige Lösung zu erarbeiten. Und sie wollen mehr: Eine Trendwende. Wer sich vor Augen hält, welche Flächen in den vergangenen 10 Jahren für Wohnungsbau, Gewerbe und Industrie versiegelt wurden, muss erkennen, dass in Zukunft ein behutsameres und ressourcenschonenderes Flächenmanagement angeraten erscheint. Dies ist der eigentliche Punkt, um den es den Kritiker aus den Reihen des NABU und des BUND geht. Das geplante Gewerbegebiet im Steinacker ist hierfür nur der symbolische Zankapfel, weshalb das Thema durchaus Brisanz in sich birgt. In der Tat wirft die Erklärung des Ortschaftsrats mehr Fragen auf, als sie beantwortet, weshalb sie kaum dazu taugt, die Kritiker zu überzeugen. Einmal ganz unabhängig von der Frage, ob das Gewebegebiet auf ehemaliger Gemarkung Wagenstadt liegt oder auf Herbolzheimer: Ist es geschickt, sich jetzt ohne Not so klar zu positionieren, ehe die vereinbarten Untersuchungen über Standort-Alternativen abgeschlossen sind? Gewöhnlich kämpfen Anwohner nicht für, sondern gegen benachbarte Gewerbeansiedlungen. Auswärtigen ist das meist egal. In Wagenstadt ist das genau umgekehrt. Ein Kuriosum. Dem neutralen Betrachter stellt sich da schon die Frage: Ist den Wagenstadtern egal, wie sich ihr Ortsbild entwickelt? Und das in einer Zeit, in der Erholungsraum immer knapper wird und viele Städte und Gemeinden verstärkt auf Tourismus setzen. Muss jeder kleine, noch so schön und idyllisch gelegene Ortsteil sein eigenes Gewerbegebiet haben, nur weil in anderen Dörfern der Region auch welche aus dem Boden gestampft wurden? Ist die Ausweisung von großen Gewerbeflächen in sensiblen dörflichen Bereichen ein Indiz für weitsichtiges politisches Handeln? Macht es nicht viel mehr Sinn, in Herbolzheim Gewerbe dort zu konzentrieren, wo bereits große Flächen mit entsprechendem finanziellen Aufwand extra dafür ausgewiesen wurden und wo Gewerbebauten und Verkehr am wenigsten stören? – am westlichen Stadtrand in Richtung Autobahn – nur wenige Minuten von Ortsteilen entfernt. Viele Fragen, auf die der Gemeinderat nach objektiven Kriterien Antworten suchen sollte, und zwar nicht nur im Hinblick auf Steinackern, sondern ganz generell. In einer Strukturdebatte sollten die Weichen für den künftigen Flächennutzungsplan gestellt und definiert werden, wieviel Flächenverbrauch vertretbar ist und wo entsprechende Potenziale liegen. Wer Zukunft verantwortlich gestaltet, ermöglicht, dass die Gemeinde auch für Enkel und Urenkel noch lebenswert ist, weil sie dort nicht nur Arbeit finden, sondern sich im Dorf auch noch wohl fühlen.