Argumente gegen ein Gewerbegebiet "Steinacker" Bedarf, städtebauliches Erfordernis: Nach §1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Ohne dieses städtebauliche Erfordernis ist eine Planung überflüssig und damit rechtswidrig. Laut Internet-Auftritt des Bauunternehmens, das sich im geplanten Gewerbegebiet u.a. ansiedeln soll und bei dem es sich offenbar um die Firma Brand handelt, reicht dessen Aktionsradius von Basel bis nach Karlsruhe und im Osten bis Villingen-Schwenningen (http://www.brand-bauunternehmung.de/radius/radius.html). Damit handelt es sich eindeutig um ein Unternehmen, das weit überwiegend überörtlich tätig ist und das deshalb vor allem eine überörtliche Anbindung benötigt. Dies ergibt sich auch aus der Begründung der Flächennutzungsplanänderung (Seite 3, 2. Absatz), wonach die schnelle Erreichbarkeit der Bundesstraße 3 und der Autobahn A 5 ganz offensichtlich ein wichtiger Aspekt ist. Allerdings spricht gerade dieser Punkt gegen eine Ansiedlung im dörflichen Umfeld von Wagenstadt und vielmehr für einen Standort in autobahnnahen Gewerbegebieten. So sind etwa in dem im Flächennutzungsplan bereits als Gewerbefläche ausgewiesenen Bereich „Stockfeld- Nord“ durchaus noch Flächen für Gewerbebetriebe vorhanden und auch in anderen Gewerbegebieten der Stadt dürften noch Möglichkeiten bestehen, ohne dass hierfür eine Flächennutzungsplanänderung erforderlich wäre. Infolge dieser Alternativmöglichkeiten ist kein städtebauliches Erfordernis für die von der Stadt beabsichtigte Änderung des Flächennutzungsplans im Bereich „Steinacker“ erkennbar, was im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 BauGB stünde. Erschließung Wie erwähnt weist bereits die Begründung der Flächennutzungsplanänderung auf die erschließungstechnisch gewünschte Nähe zur B 3 und zur A 5 hin: „Die Lage direkt an der Kreisstraße und die damit verbundene schnelle Erreichbarkeit der Bundesstraße 3 (ohne Belastung der Ortsdurchfahrt) und damit der Autobahn A 5, lässt den Standort für die Ausweisung einer Gewerbefläche sinnvoll erscheinen.“ Weiter heißt es im Gebietssteckbrief (Anhang zum Umweltbericht über die Flächennutzungsplanänderung) hierzu wörtlich: „ Das Plangebiet liegt westlich des Ortsteils Wagenstadt und ist über die Kreisstraße K 5120 direkt an die Bundesstraße und darüber an die Autobahn angebunden.“ Auf der nächsten Seite des Gebietssteckbriefs wird dies noch konkretisiert: „Weitere Belastungen entstehen nicht, da der Verkehr ohne eine Ortsdurchfahrt auf die Bundesstraße und von dort auf die Autobahn gelangt. So entstehen innerhalb des Siedlungsgebiets von Wagenstadt keine weiteren Belastungen durch zusätzlichen Verkehr.“ Diese Aussage muss von den Anwohnern der Schwimmbadstraße im Ebeneck und in der Sonnhalde als blanker Zynismus und schallende Ohrfeige empfunden werden! Denn durch die Tatsache, dass die Brücke über die Bleiche am Ortseingang von Wagenstadt nur für 12 Tonnen ausgelegt ist, werden zumindest sämtliche Baufahrzeuge des erwähnten Bauunternehmens - soweit sie von Westen kommen oder nach Westen fahren – über die Schwimmbadstraße fahren müssen. Dass der Verkehr wie in der Planbegründung behauptet ohne eine Ortsdurchfahrt auf die Bundesstraße und auf die Autobahn gelangen soll, ist daher völliger Unsinn und weckt Zweifel, ob sich das Planungsbüro überhaupt hinreichend über die örtlichen Gegebenheiten informiert hat. Richtig ist allenfalls, dass das Siedlungsgebiet von Wagenstadt nicht weiter belastet wird. Dies zeigt allerdings auch, dass die Beeinträchtigungen durch das Gewerbegebiet, dessen Entwicklung vor allem im Interesse des Ortsteils Wagenstadt liegt, somit in vollem Umfang zulasten der Anwohner an der Schwimmbadstraße gehen. Hinzu kommt, dass wegen der Tonnagebeschränkung der Bleiche-Brücke jeglicher Verkehr über 12 Tonnen aus Richtung Bleichheim oder auch aus Nordweil über Tutschfelden, teilweise sogar über Broggingen oder durch ganz Wagenstadt über die L 106 zur B 3, von dort nach Norden und wieder über die Schwimmbadstraße in Richtung Wagenstadt fließen muss. Es besteht also die Gefahr, dass die Anwohner der Schwimmbadstraße nicht nur durch die Zunahme des Verkehrs aus und in Richtung Autobahn belastet werden, sondern auch durch zusätzlichen Schwerverkehr aus bzw. in Richtung Osten. Hinzu kommt der Anstieg der Verkehrsbelastung für Tutschfelden, voraussichtlich sogar für Broggingen. Die Planung könnte sich damit als Schildbürgerstreich reinsten Wassers entpuppen! Standortalternativen Nach Anlage 1 zum BauGB, Nr. 2 d) ist eine Alternativenprüfung durchzuführen. Auf Seite 10 des Umweltberichts heißt es unter Nr. 6.6 „Prüfung von Standortalternativen“ hierzu lediglich: „Die Ansiedlung von Firmen auf der geplanten Fläche ist aufgrund der Anbindung an das überregionale Verkehrssystem sowie der nicht weiter nachgefragten Nutzung der Fläche für Kleingärten sinnvoll. An anderer Stelle werden dafür geplante Gewerbeflächen in deutlich größerem Umfang aufgegeben. Darüber hinaus kann die Entwicklung eines Siedlungssporns durch das Gewerbegebiet in Broggingen aufgegeben werden, so dass ein angemessener Ortsrand entwickelt werden kann.“ Diese Aussagen sind in keiner Weise als Alternativenprüfung, wie sie vom Gesetzgeber gefordert wird, anzuerkennen, da überhaupt keine Alternative benannt, geschweige denn geprüft wird! Dies stellt einen erheblichen Abwägungsmangel dar, mit dem die Flächennutzungsplanänderung nicht genehmigungsfähig ist. Hiervon abgesehen drängt sich durchaus eine Alternative auf, die im Hinblick auf das städtebauliche Planungserfordernis (s.o.) allerdings auch nur „zweite Wahl“ sein kann, da wie erwähnt ein Standort in Autobahnnähe in jedem Fall vorzuziehen ist. Am südwestlichen Ortsausgang sind an der L 106 noch freie Flächen vorhanden. Weiter westlich verläuft hier zwar ein regionaler Grünzug, jedoch endet dieser an der Einmündung „Am Stegacker“. Zwischen der geplanten Wohnbebauung südlich des Gebiets „Sandacker“ und westlich des Gebiets „Kleinfeldele“ einerseits und dem regionalen Grünzug andererseits wären daher auf beiden Seiten der Straße „Am Stegacker“ in ausreichendem Umfang Flächen vorhanden. Hinzu kommt, dass dieses Areal über die L 106, die B 3 und die Südendstraße wesentlich besser – und tatsächlich ohne eine Ortsdurchfahrt wie in der Begründung der Flächennutzungsplanänderung ausgeführt – an die Autobahn anzubinden wäre als der Bereich „Steinacker“. Leider wurde der von der Bürgerschaft vorgetragene Hinweis auf diese Standortalternative während der Bürgerinformation am 31.01.2011 weder von der Stadtverwaltung noch von den anwesenden Vertretern des Ortschafts- bzw. des Gemeinderats aufgegriffen. Dies stößt zumindest auf Befremden. Gleichwohl dürfte es sich bei der in der Veranstaltung erwähnten und im Vorfeld offenbar geäußerten Vermutung, dass diese Standortalternative vor allem deshalb nicht näher geprüft werde, weil verdiente Mitglieder des Gemeinderats in der Nachbarschaft wohnen, – hoffentlich! – allenfalls um eine weit hergeholte Unterstellung handeln. Regionaler Grundwasserschonbereich Laut Gebietssteckbrief zum Gebiet „Steinacker“ wird die Betroffenheit des Grundwassers mit „mittel bis hoch“ angegeben. Hierzu ist anzumerken, dass die Fläche vollständig innerhalb eines regionalen Grundwasserschonbereichs liegt, in dem laut Plansatz 3.3.1 des Regionalplans keine Maßnahmen ergriffen werden sollen, die das Grundwasser in seiner Qualität und Quantität entscheidend mindern (nicht abwägungsfähiges Ziel des Regionalplans!). Die „Kompensationsfläche“ in Broggingen und auch die eventuelle Alternativfläche am südwestlichen Ortsrand von Wagenstadt liegen hingegen nicht in einem regionalen Grundwasserschonbereich! Immissionskonflikte Auf Seite 2 des Gebietssteckbriefs zum Gebiet „Steinacker“ heißt es: „Je nach Nutzung des geplanten Gewerbegebiets können Emissionen auftreten, im Rahmen der Baugenehmigung wird jedoch nachzuweisen sein, dass die gesetzlich verankerten Lärmbelastungen nicht überschritten werden.“ Dies ist unzutreffend, da Immissionskonflikte möglichst schon auf der Ebene der Bauleitplanung auszuräumen sind. Der im Bauplanungsrecht verankerte „Trennungsgrundsatz“ führt in vergleichbaren Fällen dazu, dass in enger Nachbarschaft von Wohngebieten kein gewöhnliches, sondern nur ein „eingeschränktes“ Gewerbegebiet festzusetzen ist, für das die Lärmgrenzwerte eine Mischgebiets gelten. Hierbei ist auch zu beachten, dass der Geltungsbereich des Bebauungsplans „Kleinfeldele“ bis an den Weg entlang der Bleiche und damit näher an das geplante Gewerbegebiet heranreicht als der des Bebauungsplans „Im Sandacker“. Dörfliche Infrastruktur Dass die Ansiedlung eines Unternehmens wie der Firma Brand mit einem Aktionsradius von ca. 200 km die dörfliche Infrastruktur stärken soll, ist ein Ammenmärchen. Verbesserungen der Infrastruktur lassen sich allenfalls durch Handels- und Dienstleistungsbetriebe oder auch Gemeinbedarfseinrichtungen erzielen, für die jedoch kein Gewerbegebiet, sondern allenfalls ein Mischgebiet erforderlich wäre. Schlussfolgerung Da wie in der Bürgerinformation vorgetragen ohnehin die Gesamtfortschreibung des Flächennutzungsplans ansteht, für die auch ein umfassender Umweltbericht zu erstellen ist, spricht alles dafür, die 14. Änderung des Flächennutzungsplans derzeit nicht weiter zu verfolgen. Falls die betreffenden Unternehmen nicht im Bereich bestehender Gewerbegebiete untergebracht werden können, sollte die Ausweisung eines entsprechenden Gewerbegebiets – soweit sie städtebaulich tatsächlich erforderlich sein sollte – analog dem in der Bürgerversammlung geäußerten Vorschlag von Herrn Özkan auf der Basis einer echten und den gesetzlichen Vorgaben genügenden Alternativenprüfung zum Gegenstand der Gesamtfortschreibung gemacht werden. Otto Mielke, Februar 2011