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Intelligente Wirksysteme - Waffen & Streubomben? Neusprech der übelsten Art


Intelligente Wirksysteme oder Waffen und Streubomben?




Sprache wird mehr und mehr zur Desinformation missbraucht. Dies gilt insbesondere für die Sprache der Militärs und Waffenproduzenten. Das vom Nürnberger Waffenproduzenten Werner Diehl, in Kooperation mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall, gegründete Gemeinschaftsunternehmen “Gesellschaft für intelligente Wirksysteme” stellt laut TAZ vom 2.3.09 u. a. "intelligente" streubombenenähnliche Waffen her, die nicht Streubomben genannt werden dürfen. Auf der negativen Hitliste für Neusprech und Desinformation dürfte eine waffenproduzierende “Gesellschaft für intelligente Wirksysteme” ganz oben stehen.
Der Rüstungskonzern, war laut AZ bereits im Nationalsozialismus ein "Kriegsmusterbetrieb", der durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen bei der Produktion von tödlichen Waffen hohe Profite erzielte, über Jahrzehnte an der Produktion von Streumunition gut verdient hat.
Axel Mayer, BUND-Regionalgeschäftsführer



Nachtrag:
"Die vom Rüstungs-Konzern Diehl produzierte Munition SMArt 155 wird zwar sowohl von Fachleuten als auch von der österreichischen Regierung als 'Streumunition' angesehen, darf aber in Deutschland nach einem Münchner Gerichtsurteil nicht mehr als solche bezeichnet werden."




Wirksysteme? Alles Lüge?

Mehr Infos zum Thema Neusprech finden Sie hier


Hier dokumentieren wir den wichtigen und lesenswerten Beitrag aus der TAZ vom 2.3.2009

Rüstungsfirma Diehl
Waffen bauen, Sprache säubern



"Diehl produziert Streumunition" - eine Feststellung, die der Nürnberger Rüstungskonzern einem Journalisten gerichtlich verbieten lassen will. Es geht um Diehls "Smart 155". VON ANDREAS ZUMACH

"Peacemaker"
hieß der erste, erstmals im Jahr 1873 hergestellte sechsschüssige Trommelrevolver des US-Waffenfabrikanten Colt, mit dem seither zehntausende Menschen getötet und verwundet wurden. "Friedensstifter" oder auch "Friedenshüter" (Peacekeeper) nannte US-Präsident Ronald Reagan die in den Achtzigerjahren entwickelte MX-Rakete - eine Rakete, die mit zehn atomaren Sprengköpfen ausgestattet war, von denen jeder einzelne die Zerstörungskraft der Hiroschima-Bombe um ein Vielfaches übertraf. Doch Colt und Reagan verzichteten wohlweislich darauf, ihre schönfärberischen Bezeichnungen für (Massen-)Mordinstrumente zur offiziellen Sprachregelung zu erheben oder gar andere Namen gerichtlich untersagen zu lassen.

STREUBOMBEN
Im Unterschied zu einer Pistolenkugel oder einer Rakete, die nur auf ein bestimmtes Ziel abgefeuert werden, verteilen Streubomben oder Streumunition nach ihrem Abwurf bzw. Abschuss mehrere Geschosse über eine größere Fläche. Sie treffen dadurch mehr als nur ein Ziel. Ein Großteil der bei bisherigen Kriegen eingesetzten Streubomben und -munition blieb, ohne zu explodieren, liegen, so über 1 Million der 4,25 Millionen Geschosse vom Typ M85, die die israelische Luftwaffe im Sommer 2006 auf Ziele im Libanon abfeuerte. Sie bilden eine große Gefahr für die Zivilbevölkerung, auch noch lange nach Ende eines Krieges.


So klug ist der Nürnberger Waffenproduzent Werner Diehl nicht. Gerichtlich will er dem Regensburger Journalisten Stefan Aigner verbieten lassen, die von der Firma Diehl hergestellte Streumunition "Smart 155" als "Streumunition" zu bezeichnen - ein einmaliger Vorgang in der deutschen und internationalen Rüstungsgeschichte. Sollte das Landgericht München, vor dem der Fall von heute an verhandelt wird, Diehls Klage stattgeben, wäre damit ein Exempel statuiert, das vermutlich auch für andere Journalisten und Medien Konsequenzen hätte.

Schon seit Jahrzehnten verdient Diehl viel Geld mit dem Verkauf von Streubomben und Streumunition - neben Antipersonenminen die heimtückischsten und vor allem für Zivilisten gefährlichsten Mord- und Verstümmelungsinstrumente, die die Rüstungstechnologie hervorgebracht hat. Derzeit stellt Diehl in Kooperation mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall Streumunition mit der Typenbezeichnung "Smart 155" her. Sie kann mit Artilleriegranaten verschossen werden, etwa mit der vom Essener Rüstungsunternehmen Krupp produzierten Panzerhaubitze 2000. Offiziell fungiert als Hersteller von "Smart 155" ein von Diehl und Rheinmetall gegründetes Gemeinschaftsunternehmen namens Gesellschaft für intelligente Wirksysteme.

In einem Kommentar
anlässlich der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens an Werner Diehl hatte Aigner am 25. Juli 2008 im Onlinemagazin regensburg-digital.de geschrieben: "Heute ist das Unternehmen Diehl einer der erfolgreichsten deutschen Waffenproduzenten. Nach eigenen Angaben stammt rund ein Drittel des Umsatzes von 2,3 Milliarden Euro aus der Rüstungsproduktion. Unter anderem produziert man Streumunition." Diesen letzten Satz musste Aigner, der Herausgeber von regensburg-digital.de ist, bereits wenige Tage später aus seinem Kommentar entfernen. Die Firma Diehl hatte eine einstweilige Verfügung mit einem Streitwert von 50.000 Euro gegen Aigner erwirkt und ihn zur Zahlung ihrer Anwaltskosten aufgefordert.

Mit der im Oktober eingereichten Klage will Diehl den Journalisten zu einer endgültigen Unterlassungserklärung zwingen. Im Fall einer Zuwiderhandlung soll Aigner ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zahlen, fordern Diehls Anwälte in ihrer Klageschrift. Das Rüstungsunternehmen beruft sich in seiner Klage auf das Oslo-Abkommen zum Verbot von Streubomben und -munition, das im Dezember 2008 von fast hundert Staaten unterzeichnet wurde.

Dieser Vertrag enthält Ausnahmen für solche Typen von Streumunition,
die angeblich keine Gefahr für Zivilisten darstellen, weil sie die folgenden technischen Spezifikationen erfüllen: Jede Munition enthält weniger als zehn eigenständig explodierende Submunitionen, die jede mindestens vier Kilo wiegen; jede explosive Submunition enthält Mechanismen zur selbstständigen Zielerkennung sowie zur Selbstzerstörung und Selbstdeaktivierung für den Fall, dass sie ihr anvisiertes Ziel verfehlt oder liegen bleibt, ohne zu explodieren.

Diese Einschränkungen treffen exakt auf Diehls Streumunition "Smart 155" zu - zumindest laut der Produktbeschreibung des Unternehmens. Kein Wunder, war es doch die Bundesregierung, die diese und weitere Ausnahmen auf Wunsch von Diehl und Rheinmetall bei den Verhandlungen zum Oslo-Vertrag durchgesetzt hat, u. a. mit der Drohung, andernfalls aus den Verhandlungen auszusteigen. Aktiv beteiligt an der Verwässerung des Oslo-Vertrages war auch die französische Regierung, die damit die Streumunition vom Typ "Bonus" vor einem Verbot bewahrte.

Den Haupteinwand gegen Diehls Klage formuliert der renommierte britische Experte für Streumunition, Rae McGrath, der von den Gerichten seines Heimatlandes häufig als Gutachter geladen wird. In einer für das Münchener Verfahren angefertigten Expertise schreibt er: Es gibt bislang keinerlei Beweis dafür, dass die "Smart 155" die im Oslo-Vertrag verlangten technischen Spezifikationen erfüllt. Es gibt nur die entsprechende Behauptung der Firma Diehl, die von der Bundeswehr und der Bundesregierung ungeprüft übernommen wurden. Bisher wurde die "Smart 155" nur von Diehl selber getestet, zum Teil in Kooperation mit der Bundeswehr und unter Idealbedingungen. Unabhängige Tests oder Einsätze, zumal unter realistischen Kriegsbedingungen, gab es bis heute nicht. Daher könne "Smart 155", so folgert McGrath, durchaus als Streumunition bezeichnet werden.

Wenn die Behauptung Diehls, die "Smart 155" sei eine "Punktzielmunition" und falle daher nicht in die Kategorie "Streumunition", zutreffen würde, hätte sich die Bundesregierung auch nicht auf Wunsch der Rüstungskonzerne bei Verhandlungen über ein Verbot von Streumunition um Ausnahmen für "Smart 155" bemühen müssen. McGrath verweist zudem auf Verhandlungsdokumente, die Deutschland und andere Staaten noch im November 2008 bei den parallel zu den Oslo-Verhandlungen laufenden Beratungen der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz in Sachen Streumunition eingebracht hatte. In diesen Dokumenten werden unter der Überschrift "Ausnahmen für weiterhin erlaubte Streumunitions-Typen" exakt die technischen Spezifikationen vorgeschlagen,die inzwischen im Oslo-Vertrag vereinbart wurden.

Diehls Klage steht aber auch das Völkerrecht entgegen. Die im Oslo-Abkommen vereinbarten Spezifikationen für künftig verbotene und weiterhin erlaubte Typen von Streumunition gelten ausdrücklich nur "zum Zwecke dieses Vertrages" ("for the purpose of his convention"). Keineswegs wurde damit eine rechtlich und weltweit verbindliche Definition von Streumunition festgeschrieben. Österreich hat denn auch über die Ratifizierung des Oslo-Vertrages hinaus per Gesetz die "Smart 155" und alle anderen Typen von Streubomben/-munition, die möglicherweise die Ausnahmebestimmungen des Oslo-Vertrages erfüllen könnten, verboten.

Sollte das Münchener Landgericht
trotz all dieser Einwände der Klage Diehls gegen den Journalisten Aigner stattgeben, will das Unternehmen nicht nur die taz, Spiegel, Deutschlandradio und andere Medien verklagen, die die "Smart 155" weiterhin als Streumunition bezeichnen, sondern auch die österreichische Regierung.


Hier ein lesenswerter Beitrag aus der Abendzeitung München


http://www.abendzeitung.de/muenchen/90019
01. Mar. 2009, 15:19

Wer wird gewinnen, Meinungsfreiheit oder Geschäftsinteressen: Die Firma Diehl will einem Journalisten verbieten, zu behaupten, dass der Konzern "Streumunition" produziere. Aber warum?


MÜNCHEN - Wer wird gewinnen: Das Recht auf Informations, Meinungs- und Pressefreiheit oder die Image- und Geschäftsinteressen eines deutschen Rüstungskonzerns? Darüber entscheidet das Landgericht München I am Montag in einer öffentlichen Verhandlung - ein Prozess zwischen David und Goliath: Der milliardenschwere Nürnberger Rüstungskonzern Diehl will unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250 000 Euro einem Regensburger Journalisten den Mund verbieten lassen. "Unter anderem produziert man Streumunition" hatte Stefan Aigner (35) in seiner Kolumne des kleinen Online-Magazins "regensburg-digital.de" über die Traditionsfirma Diehl geschrieben. Und genau diese Aussage soll er nie wieder verbreiten dürfen. Aber warum?

"Kriegsmusterbetrieb"
Tatsache ist, dass der Rüstungskonzern, der bereits im Nationalsozialismus als "Kriegsmusterbetrieb" durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen bei der Produktion von tödlichen Waffen hohe Profite erzielte, über Jahrzehnte an der Produktion von Streumunition gut verdient hat. Seit sich jedoch rund 100 Staaten im vergangenen Jahr bei einer Konferenz in Dublin darauf verständigt haben, die für Zivilisten besonders gefährliche und tödliche Streumunition international zu ächten und die weitere Produktion und Anwendung zu verbieten, ist der Nürnberger Rüstungskonzern mit politischer Hilfe von ganz oben um Image und Geschäft besorgt. Und so wurden auf Druck der Bundesregierung neue Waffensysteme, die Experten als so genannte "intelligente Streumunition" bezeichnen, in letzter Minute von der Verbotsliste gestrichen. Deutschland hatte damit gedroht, seine Unterschrift unter die Konvention andernfalls zu verweigern.

"Punkt-Ziel-Munition"
Diese "alternative Streumunition" der "Gesellschaft für intelligente Wirksysteme" (GIWS) sei für das Kooperationsunternehmen der Rüstungsfirmen Diehl und Rheinmetall ein Milliardengeschäft, sagt Thomas Küchenmeister. Der Leiter des "Aktionsbündnisses Landmine.de", das 17 internationale Nichtregierungsorganisationen umfasst, zweifelt an der "Intelligenz" dieser vom Verteidigungsministerium gerne als "Punkt-Ziel-Munition" bezeichneten "alternativen Streumunition". Denn ihre angebliche "Ungefährlichkeit" für Zivilisten sei unter Militärfachleuten sehr stark umstritten und bis heute nicht nachgewiesen, kritisiert Küchenmeister.

Aigners Anwältin bezeichnet das Vorgehen der Firma Diehl "als eklatanten Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit." Britta Schön zur AZ: "Selbst im Bundestag wird darüber diskutiert, was alles unter dem Begriff Streumunition zu verstehen ist, etwa auch die neuen Diehl-Produkte." Der Rüstungskonzern wollte sich gegenüber der AZ "zum laufenden Verfahren" nicht äußern.

"Darf ich in Zukunft eine Bombe noch eine Bombe nennen? "
"Die Frage ist, wer in Zukunft die Begriffshoheit über umstrittene Waffen hat und ob der Rüstungsproduzent allen Journalisten vorschreiben kann, nur noch solche Bezeichnungen zu verwenden, die ihren Imageinteressen entsprechen", sagt Aigner: "Darf ich in Zukunft eine Bombe noch eine Bombe nennen? Oder muss ich sie vielleicht als intelligentes Wirksystem bezeichnen?"


Für das kleine mutige Online-Magazins "regensburg-digital.de"
steht durch den Angriff des Rüstungskonzerns Diehl die Existenz auf dem Spiel: "Ich habe nur eine Meinung geäußert, die bereits viele vertreten haben", wundert sich Aigner. "Es liegt daher der Verdacht nahe, dass die Firma Diehl in einem Verfahren gegen einen vermeintlich schwachen Gegner eine gerichtliche Entscheidung durchsetzen will, mit der sie in Zukunft auch gegen andere Medien und Kritiker vorgehen kann."

Vermutungen
Auch Küchenmeister vermutet: "Wahrscheinlich will man ein Exempel statuieren und Kritiker abschrecken. Es geht um viel Geld, um Image und um zukünftige Rüstungsmärkte." Für Anwältin Schön ist die Argumentation der Firma Diehl noch aus einem ganz anderen Grund völlig absurd: "Österreich hat zum Beispiel auch die so genannten intelligenten bzw. alternativen Waffen als Streumunition definiert und verboten." In Zukunft könnte es also in der EU zwei Sprachregelungen für Journalisten geben - mit gravierenden Folgen für die Pressefreiheit: Wer in Österreich, staatlich abgesegnet, von der "Streumunition" der Firma Diehl sprechen und schreiben darf, könnte laut Anwältin Schön, in Deutschland schon bald mit der Vernichtung seiner beruflichen Existenz büßen.

Michael Backmund

  • "Ein Freibrief für die Waffenindustrie" (http://www.abendzeitung.de/bayern/90022)









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    • 3) Im Zweifel ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte immer noch eine gute Quelle zur Orientierung.











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    Dieser Artikel wurde 9356 mal gelesen und am 3.1.2024 zuletzt geändert.