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2003 - Umweltpolitischer Jahresrückblick: Mensch, Natur und Umwelt (nicht nur) in Südbaden, Elsass und am Oberrhein



An die Medien am Oberrhein


Sehr geehrte Damen und Herren in den Redaktionen am Oberrhein,

wir senden Ihnen einen kleinen Jahresrückblick auf einige wichtige Ereignisse in Sachen Natur und Umwelt am Oberrhein. Ein solcher Rückblick kann nur einen auszugsweisen Überblick geben. Auf unserer Homepage www.bund-freiburg.de finden Sie umfassende Hintergrundinfos zu den einzelnen Themenbereichen.

Mit freundlichen Grüßen,

Axel Mayer / Geschäftsführer


Mit einem richtigen „Knaller“
eröffnete der Chemiekonzern Rhodia in Chalampé (F) das Internationale Jahr des Süßwassers. Kurz vor dem Jahreswechsel meldete die Rhodia den Behörden einen „kleinen“ Störfall. Cyclohexan, ein Lösungsmittel, sei in kleinen Mengen ausgetreten. Die Bevölkerung wurde nicht informiert. Ein Rhodia-Mitarbeiter meldete dann heimlich den Medien, 30 Tonnen seien versickert. Nach heftigen Reaktionen von BUND und Alsace Nature wurde nach und nach die unglaubliche Dimension des Skandals deutlich. Erst wurden 400 Tonnen zugegeben, später gingen die Behörden davon aus, dass bis zu 1200 Tonnen Cyclohexan unbemerkt (!) ausgetreten waren. Das entspricht dem Inhalt der Kesselwagen eines 300 Meter langen Zuges. Und das in einem Betrieb, der stündlich 28 Tonnen Blausäure produziert. 4 Millionen Euro wird der Unfall die Rhodia nach eigenen Angaben kosten. Im Gegensatz zu allen Aussagen der Firmenleitung hätte ein Funke zu einer Katastrophe führen können. Gemeinsam mit Alsace Nature verstärkten wir den Druck auf die Firmenleitung, um endlich Sicherheit für die Menschen der Umgebung zu erreichen. Nur durch solchen Druck wird bei Firmen wie Rhodia der technische Fortschritt in Sachen Sicherheit beschleunigt. Erschreckend ist der harte Umgang der Behörden mit kleinen Umweltsündern und der freundliche Umgang mit Rhodia. Auch im Internationalen Jahr des Süßwassers bleibt die Wasser-, Grundwasser- und Trinkwassersituation im Rheingraben mehr als problematisch. An beinahe der Hälfte der Wasserpegel am Südlichen Oberrhein sind ein oder mehrere Grenzwerte für Trinkwasser (Salz, Nitrat, Atrazin,...) überschritten.
Die vom BUND und Alsace Nature lange geforderte Stilllegung der Giftmülldeponie Stocamine (F) wurde im Jahr 2003 Realität. Ein Erfolg über den wir uns nach dem großen unterirdischen Brand der “nicht brennbaren“ Gifte nicht so richtig freuen können.

Die regionalen Proteste gegen den Irak Krieg
wurden auch vom BUND unterstützt. Der Irak-Krieg war für die Umweltbewegung auch ein Zeichen für die Zuspitzung der weltweiten Kämpfe um Ressourcen. Als der irakische Diktator seine schlimmsten Verbrechen beging, war er noch ein Partner der USA und wurde von dort mit Waffen beliefert. Es gab und gibt für uns keine „guten Diktaturen“. Unsere Befürchtungen zu Beginn des Krieges haben sich eigentlich alle bestätigt. Die Kriegsgründe (Massenvernichtungswaffen) waren vorgeschoben. Wie ist es in Demokratien möglich, dass bei zentralen Entscheidungen über Krieg und Frieden die Menschen so belogen werden?

Der Euroreaktor EPR,
die neue Reaktorlinie die von der EnBW und EDF finanziert und von Siemens gebaut werden soll wirft ihre Schatten voraus. Angela Merkel und Ministerpräsident Teufel haben in diesem Jahr die CDU als Atompartei in Wartestellung geoutet. Auch das Rot-GRÜNE Rumgeeiere um den Export der Plutoniumfabrik nach China und die Siemens Lieferungen für den EPR in Finnland zeigt die Gefahren einer Wiederbelebung der Atomindustrie. Wer, wie Siemens, neue Atomkraftwerke bauen und exportieren will, sorgt damit auch für die Verbreitung von Atomwaffen. Regional lief eine gut gemachte, verlogene Werbekampagne für das AKW Fessenheim an. Fessenheim wäre aus Sicht von EnBW und EDF ein idealer Standort für neue AKWs, wenn nur die Umweltschützer nicht wären. So erhielt das Atomkraftwerk Fessenheim für „Schutz von Fauna, Flora und Orchideen um das Kernkraftwerk, für Mülltrennung, u.a.“ die Umweltzertifizierung nach ISO 14001. Ein „schönes“ Beispiel für Greenwash in der Region. Mit der Gründung des so genannten Umweltvereins „Au fil du Rhin“ (dt.: „Entlang des Rheins“) in Fessenheim durch EnBW und EDF, versuchen die beiden AKW Betreiber den Begriff der Nachhaltigkeit für sich zu besetzen und die Umweltbewegung zu spalten. Auch die Kampagne für den Euroreaktor EPR, der von Siemens und Framatome irgendwann in Fessenheim gebaut werden soll, läuft unter dem Deckmäntelchen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes.
Kontrovers diskutiert
werden in der Regio die neuen Windräder, insbesondere am Schauinsland. Die umweltfreundliche Form der Energieerzeugung steht im Konflikt mit dem Landschaftsschutz. Auch zu diesem Thema erarbeitete der BUND ein differenziertes Positionspapier, mit deutlicher Sympathie für Windenergie und Landschaft.

Der Maiswurzelbohrer,
ein amerikanischer Maisschädling, wurde im August 2003 erstmals im Elsass und im Baselland gefunden. Die gefunden 4 Exemplare von „Diabrotica virgifera“ wurden mit einer heftigen Giftdusche empfangen. 1,5 Tonnen Insektizide wurden in einer umweltgefährdenden Hubschrauberaktion alleine im Elsass ausgebracht. 250 Menschen demonstrierten bei einer Regenschirmdemo in Hegenheim (F). Nur in der Schweiz wird der Maiswurzelkäfer kostengünstig und umweltfreundlich mit Fruchtfolgen bekämpft. Jahrzehntelanger Maisanbau auf den gleichen Flächen ist schädlich für das Grundwasser und hat seine deutlichen Nitrat-Spuren hinterlassen. Doch für die Landwirte, die im Rahmen der Globalisierung in direkter Konkurrenz mit riesigen Maisanbauflächen in den USA stehen, ist Maisanbau eine Möglichkeit zum wirtschaftlichen Überleben in Zeiten der Globalisierung. Breitet der Maiswurzelbohrer sich 2004 am Oberrhein aus, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Ökologisch sinnvolle Fruchtfolgen wie in der Schweiz, oder heftiger Insektizideinsatz wie im Elsass. Die Folgen intensiver Landwirtschaft aufs Grundwasser wurden im Jahr 2003 am Nördlichen Kaiserstuhl deutlich. Nach Sasbach musste auch die Stadt Endingen am Kaiserstuhl und die Gemeinde Weisweil einen millionenschweren neuen Brunnen bohren.

Eine hervorragende neue Studie
bestätigte die alten Argumente des BUND zum Thema Grundwasserversalzung durch den Kaliabbau. Es ist unerklärlich warum diese gute Studie für 900 000 Euro von den Europäischen SteuerzahlerInnen finanziert wurde und nicht von der Firma Kali Salz AG und den französischen Kaliminen, den bekannten Verursachern der Versalzung. Warum wird bei großen, mächtigen Umweltverschmutzern das Verursacherprinzip nicht angewendet ? Es ist ein skandalöses Gerechtigkeitsdefizit, wenn das Verursacherprinzip stets nur bei kleinen Umweltsündern zum Zuge kommt.

Sechs Atomtransporte
aus dem havarierten Schweizer Kernkraftwerk Lucens rollten ins grenznahe Zwischenlager für Atommüll nach Würenlingen. Am 21.1.1969 hatte es im AKW Lucens einen schweren Reaktorunfall mit Kernschmelze gegeben. Seit diesem Schweizer Atomunfall ist die Atomlobby und die HSK (Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen) bemüht die Erinnerung an dieses Ereignis zu löschen. Ein Schweizer Reaktorunfall, an den sich die Menschen erinnern, erschwert die Durchsetzung eines atomaren Endlagers, wie ihn die NAGRA in Benken am Rheinfall durchsetzen will. Jetzt besteht sogar die Gefahr, dass der gesamte Atommüll der Schweiz nach Benken kommt.

Die geplante Neubaustrecke der Bahn
ist eines der großen Umweltthemen am Oberrhein. Bei einer Kundgebung forderten 7000 Menschen von der Bahn einen Tunnel unter den Maisfeldern des Markgräflerlands. Die anschwellende Verkehrslawine im Transitland Oberrhein mit zunehmendem Autobahnlärm, Abgasen und Unfällen beschäftigt auch die Umweltverbände, die kritisieren, dass es eine kritische Diskussion bisher nur zu den Plänen der Bahn gibt.

Erfolg und gleichzeitig Niederlage
war der schweizerisch - deutsche Luftstreit um den Anflug auf den Flughafen Zürich. Alte und neue Nationalismen und traurige Feindbilder auf beiden Rheinseiten überlagerten den Europa / Regio / Dreyeckland Mythos. In diesem Konflikt und der Art wie er ausgetragen wurde, scheiterte auch ein kleines regionales Stück Europa. Trotz des Erfolges in der Sache ist dies ist für uns, die wir in der Tradition der grenzüberschreitenden Umweltbewegung tief verwurzelt sind, besonders schmerzlich.

In der so genannten „Großen Politik
haben im Jahr 2003 die ökonomischen Probleme die ökologischen Fragestellungen überlagert. Weder die Konzepte des Neoliberalismus, noch die Politik des Schuldenmachens gibt Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen. Wenn wir die Politiker fast aller Richtungen richtig verstehen, dann sollen wir alle länger arbeiten um dann mehr unnötige, kurzlebige Produkte zu kaufen, die wir eigentlich nicht brauchen, um sie dann möglichst schnell weg zu werfen.... Der alte, falsche Mythos, begrenzte Systeme wie die Erde könnten unbegrenztes Wachstum dauerhaft verkraften, wird in Krisenzeiten ungeprüft nachgebetet. Lebensqualität, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit wird mit dieser Politik nicht erreicht. Eine echte Reformdebatte anzustoßen, die diese zerstörerische Logik durchbricht, ist Aufgabe des BUND und der Umweltbewegung.



2023: Umweltpolitischer Jahresrückblick für Südbaden, Elsass, Nordschweiz und den Rest der Welt.
BUND & Mitwelt - Umwelt Rückblick für die Jahre 2023, 2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003, 2002, 2001, 1999 ...

Hier geht's zu einer umfangreichen Darstellung der regionalen Umweltgeschichte am Oberrhein




Umweltpolitischer Jahresrückblick





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Dieser Artikel wurde 4637 mal gelesen und am 12.1.2022 zuletzt geändert.