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Luftreinhalteplan Freiburg: Eine BUND-Kritik

13.08.2008
An die Medien in Freiburg

BUND Stellungnahme und Kritik am Luftreinhalte-/ Aktionsplan Freiburg

wir senden Ihnen die Stellungnahme und Kritik am Luftreinhalte-/ Aktionsplan in Freiburg zur journalistischen Verwertung. Verfasst hat diese gemeinsame Stellungnahme der Freiburger BUND-Verkehrsexperte und Referent des BUND-Landesverbandes für Verkehr und Raumordnung Klaus Peter Gussfeld.




An das

Regierungspräsidium Freiburg
04.08.2008

Luftreinhalte-/ Aktionsplan Freiburg
Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr Reif,

der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg und Regionalverband Südlicher Oberrhein, nimmt zum Entwurf des Luftreinhalte-/ Aktionsplans Freiburg wie folgt Stellung:

Grundsätzliche Anmerkungen

Der BUND begrüßt die Vorlage des Entwurfs für den Luftreinhalte-/ Aktionsplan Freiburg als wichtigen Beitrag zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Luftschadstoffen. Allerdings zeigt die Wirkungsanalyse der vom Regierungspräsidium vorgesehenen Maßnahmen, dass diese nicht ausreichen werden, die ab 2010 rechtlich verbindlichen – für die Betroffenen dann auch grundsätzlich einklagbaren – Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) einzuhalten. Der BUND hält es vor diesem Hintergrund für unverzichtbar, wesentliche Maßnahmen zu verschärfen und um zusätzliche – bisher vom Regierungspräsidium abgelehnte – Maßnahmen zu ergänzen. Ziel muss es sein, in den kommenden Jahren alle Anstrengungen zu unternehmen, die gesetzlichen Anforderungen an die Luftqualität ab 2010 auch tatsächlich einzuhalten. In der Gesamtabwägung ist, entsprechend der gesetzlichen Grundlagen des Immissionsschutzrechtes, dem Schutz der menschlichen Gesundheit Vorrang vor der Freizügigkeit des Kfz-Verkehrs (dem Hauptverursacher der Luftbelastungen) einzuräumen. Wir verweisen diesbezüglich auch auf das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 25. Juli 2008, wonach die Aktionspläne alle Maßnahmen enthalten müssen, die die Einhaltung des Grenzwerts schrittweise ermöglichen. Die Maßnahmen müssen dabei Überschreitungen des Grenzwerts zumindest auf ein Mi-nimum reduzieren. Überdies müssen die in dem Plan enthaltenen Maßnahmen perspektivisch in der Lage sein, für die Einhaltung des Grenzwerts zu sorgen. Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben ist der vorliegende Planentwurf absolut unzureichend, da selbst mittelfristig (und damit „perspektivisch“ im Sinne der Rechtsprechung) eine Einhaltung der Grenzwerte nicht gewährleistet werden kann. Der lapidare Hinweis, dass weitere Eingriffe in den Straßenverkehr für die Verkehrsteilnehmer und die Wirtschaft nicht zumutbar wären – was im Umkehrschluss bedeutet, dass eine Überschreitung der Grenzwerte für die Bevölkerung zumutbar ist, wird den richterlichen Anforderungen nach Ansicht des BUND nicht gerecht.

Der BUND fordert daher folgende Nachbesserungen der im Planentwurf vorgesehenen Maßnahmen:

Fahrverbote in der Umweltzone (M 6)

Der BUND begrüßt die geplante Einrichtung einer „Umweltzone“ im Freiburger Stadt­gebiet. Es ist allerdings zwingend geboten, dass die B 31 in die Umweltzone einbezogen wird. Es ist fachlich völlig unverständlich, dass ausgerechnet die B 31 als Hauptverursacher der verkehrsbedingten Schadstoffemissionen (vor allem der Verkehr mit Diesel-Nutzfahrzeugen) aus der Umweltzone ausgeklammert werden soll. Der im Planentwurf befürchtete Ausweichverkehr ist in keiner Weise nachvollziehbar oder gar belegt. Es werden im Planentwurf keinerlei Verkehruntersuchungen zum Beleg eines Ausweichverkehrs genannt – insofern ist dieser eine lediglich nicht begründete oder belegte Befürchtung. Es fehlt damit eine Entscheidungsgrundlage, die eine Herausnahme der B 31 aus der Umweltzone rechtfertigen würde. Aber selbst wenn es zu Ausweichverkehren kommen würde, müsste das Regierungspräsidium zuvor prüfen, ob durch geeignete straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen in den Landkreisen der Ausweichverkehr verhindert werden könnte. Auch diese Überlegungen fehlen im Planentwurf. Fazit: Ein „Sonderstatus“ für den Transitverkehr, der von den emissionsreduziernden Maßnahmen verschont werden soll, ist in keiner Weise gerechtfertigt. Gerade die besonders hohen Belastungen durch den Transitverkehr mit schweren Nutzfahrzeugen müssen dringend reduziert werden.

Darüber hinaus sind die flächendeckenden Verkehrsverbote in der Umweltzone deutlich zu verschärfen:

1. Die beiden Verkehrsverbote für Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppen 1 und 2 (Euro 0 bis 2) sollten zusammengefasst und gemeinsam schon ab 2009 umgesetzt werden. Wir begründen diese Forderung wie folgt: Erstens ist schon heute absehbar, dass die gesetzlichen Grenzwerte ab 2010 nicht eingehalten werden können – insofern besteht die gesetzliche Verpflichtung, alle sinnvollen und möglichen Maßnahmen auch rechtzeitig umzusetzen. Zweitens zeigt sich aus fachlicher Sicht, dass die Emissionen von Nutzfahrzeugen mit Euro 2 teilweise deutlich höher liegen als bei solchen mit Euro 1 – insofern liegen also keine Gründe vor, Euro 2-Verbote zeitlich hinauszuschieben. Auch belegt die Wirkungsanalyse der Maßnahmen, dass alleinige Euro 1-Verbote aufgrund der 2010 doch recht geringen Fahrleistung der „Oldtimer“ nur sehr geringe Immissionsreduzierungen zur Folge haben.
2. Darüber hinaus regt der BUND an, ab 2012 Verkehrsverbote auch für Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppe 3 (Euro 3) vorzusehen, wenn die Luftqualitätsziele ab 2011 nicht eingehalten werden können. Wir sind der Ansicht, dass zwei Jahre nach Inkrafttreten der gesetzlich verbindlichen Grenzwerte auch härtere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Gesundheit wirksam zu schützen. Aus fachlicher Sicht ist festzustellen, dass zumindest bei den schweren Nutzfahrzeugen der wesentliche Qualitätssprung bei der Reduzierung der Abgasemissionen erst ab Euro 4 einsetzt.

Bewertung der weiteren Einzelmaßnahmen

M 1 Straßenbauvorhaben

Der Beitrag des Straßenbaus zur Reduzierung der verkehrsbedingten Emissionen muss grundsätzlich kritisch hinterfragt werden. Zwar kann es gelingen, die Belastungen lokal und punktuell in den heute betroffenen Wohngebieten durch eine Verlagerung des Verkehrs auf neue Straßen zu reduzieren. Andererseits wird durch eine ausschließliche Verlagerung auf neue Verkehrswege die gesamtstädtische- und Hintergrundbelastung erhöht. Hinzu kommt die verkehrsinduzierende Wirkung von neuen Straßen, die durch in der Summe mehr Straßenverkehr die Belastung insgesamt erhöht. Ein Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität kann nur dann erzielt werden, wenn es durch entsprechende Begleitmaßnahmen (z.B. Straßenrückbau, Entschleunigung, Reduzierung der Ausbaustandards) gelingt, die Verkehrsmengen insgesamt zu verringern.

Mit Blick auf den Stadttunnel ist zu berücksichtigen, dass dieser frühestens in 15 bis 20 Jahren realisiert werden kann. In dieser Zeitspanne sind also auf jeden Fall anderweitige wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die – auch durch scharfe Eingriffe in den Straßenverkehr – die Belastungen auf ein Minimum reduzieren.

M 2 Veränderung des Modal-Split
Der BUND begrüßt die im Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Freiburg beschriebenen Maßnahmen zur Stärkung des Umweltverbundes und zur Reduzierung des Autoverkehrs als wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung. Im Hinblick auf die heute nur begrenzt verfügbaren Finanzmittel erwarten wir allerdings vom Regierungspräsidium bzw. der Landesregierung konkrete Aussagen darüber, wie die Finanzierung der außerordentlich wichtigen Projekte sichergestellt werden kann und welche Initiativen des Landes konkret vorgesehen sind. Im Hinblick auf die Mobilitätsberatung erwartet der BUND mehr als einen Verweis auf die Aktivitäten der ehrenamtlich tätigen Vereine und Verbände. Im Luftreinhalte-/ Aktionsplan sollte festgeschrieben werden, dass Mobilitätsberatung und Mobilitätsmanagement eine Daueraufgabe aller gesellschaftlich relevanten Gruppen ist – auch der Unternehmen, der Arbeitgeber, der Schulen u.v.m. Darüber hinaus sollte aufgeführt werden, welche Aktivitäten die politisch Verantwortlichen konkret ergreifen werden.

M 3 Verkehrslenkung und –Verflüssigung
Maßnahmen zur Verkehrslenkung und –verflüssigung des Kfz-Verkehrs dürfen kei­nesfalls zulasten des ÖPNV und des nichtmotorisierten Verkehrs ergriffen werden. Wird der Verkehrsfluss des Umweltverbundes beeinträchtigt, ist dies kontraproduktiv zur Maßnahme M 2, die genau die Förderung und Stärkung des Umweltverbundes anstrebt. Weniger gefahrene Auto-Kilometer in der Stadt sind der effektivste Beitrag zur Luftreinhaltung!

M 4 Fahrzeugtechnik
Auch für den BUND ist unbestritten, dass die beste verfügbare Fahrzeugtechnik we­sentliche Beiträge zur Luftreinhaltung leisten kann, sofern sie in ein umweltorientier­tes Gesamtverkehrskonzept eingebettet ist und nicht durch eine Steigerung der Fahrleistungen konterkariert wird. Wir kritisieren allerdings, dass die Ausführungen im vorliegenden Planentwurf im wesentlichen nur die bestehenden Planungen einiger Institutionen in der Region (VAG, SBG, Stadt, RP etc.) widerspiegeln. Notwendig sind darüber hinaus:

  • Es sollten konkrete zeitliche Vorgaben zur Umsetzung bestimmter technischer Standards zur Abgasreinigung gesetzt werden. Beispielsweise regeln die Luft­reinhaltepläne für die Region Stuttgart ganz konkret, bis wann welche Standards im städtischen ÖPNV umzusetzen sind. Zu differenzieren ist hier zwischen der Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Problematik.
  • Auch die großen Unternehmungen und Arbeitgeber sollten mit dem Ziel angesprochen werden, den eigenen Fuhrpark bis 2010 auf die beste verfügbare Technik umzustellen.
  • Die technischen Standards müssen auch für von Institutionen und Betriebe beauf­tragte Subunternehmer sichergestellt werden.

    M 14 City-Logistik-Konzept
    Der BUND begrüßt die Aussagen zum City-Logistik-Konzept. Entsprechend dem ho­hen Anteil des Straßengüterverkehrs an den Immissionsbelastungen sollte darüber hinaus ein umweltorientiertes Güterverkehrskonzept für die Region erarbeitet werden, das auch Chancen und Möglichkeiten einer stärkeren Verlagerung des Gü­terverkehrs auf die Schiene aufzeigen sollte. Hierzu zählen beispielsweise die Siche­rung und Neuanlage von Gleisanschlüssen für Gewerbegebiete, die Gewährleistung der Zugänglichkeit des Schienennetzes für den Güterverkehr (Vorhaltung der erfor­derlichen Infrastruktur) sowie technologische Innovationen für den kombinierten Ver­kehr. Als Vorbild kann in dieser Hinsicht das schienenbasierte Konzept der Abfall­transporte in der Region dienen.
    Weitergehende Forderungen

    Der BUND fordert, folgende Maßnahmen zusätzlich in den Luftreinhalte-/Aktionsplan aufzunehmen:
    Einführung einer Lkw-Maut auf der B 31

    Die Belastungen entlang der B 31 durch den Transitverkehr mit schweren Nutzfahrzeugen sind schon heute für die Bevölkerung unzumutbar. Wir erwarten die Vorlage konkreter Zahlen zur Entwicklung des Lkw-Verkehrs in den letzten zehn Jahren als Entscheidungsgrundlage. Wir weisen darauf hin, dass eine Verkehrsuntersuchung der Stadt Freiburg bereits 2005 eine signifikante Zunahme des Lkw-Verkehrs auf der B 31-Ost um 9% allein seit Einführung der Lkw-Maut auf Autobahnen belegt.
    Geschwindigkeitsbeschränkung von 40 km/h auf den Hauptverkehrsachsen

    Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Regierungspräsidium diese Forderung ablehnt. Wir verweisen auf Untersuchungen des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz, die zeigen, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung von z.B. 50 km/h auf 30 km/h zu einer deutlichen Verringerung bei den PM10- und NO2-Immissionen führen kann. Wir regen daher zumindest einen zeitlich begrenzten Modellversuch zu Tempo 40 auf der B 31 unter wissenschaftlicher Begleitung an.

    Verkehrsverträglichkeitsanalyse aller Maßnahmen der Regional- und Stadtplanung

    Alle Maßnahmen sowohl der städtischen wie der regionalen Raumplanung sollten auf ihre Auswirkungen auf den Verkehr untersucht werden. Eine sachgerechte Raum- und Siedlungsplanung hat erhebliche Auswirkungen auf die Höhe des Verkehrsauf­kommens und damit auf die Luftqualität. Eine Verkehrsverträglichkeitsanalyse könnte Fehlentwicklungen rechtzeitig erkennen und die Einleitung von Alternativplanungen ermöglichen.
    Erfolgskontrolle und laufende Wirksamkeitsanalyse der Umsetzung des Luftreinhalte-/ Aktionsplans

    Nach Verabschiedung des Luftreinhalte-/ Aktionsplans ist eine jährliche Erfolgskontrolle und Wirksamkeitsanalyse sicherzustellen. Hierzu sollten kontinuierlich die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid und Feinstaub gemessen werden. In einem jährlichen Sachstandsbericht sollten diese Messungen dokumentiert und der Stand der Umsetzung der Maßnahmen des Luftreinhalte-/ Aktionsplanes beschrieben werden. Auch unter Beteiligung der Umweltverbände sollten diese Erfolge (oder Misserfolge) kritisch diskutiert werden, um somit rechtzeitig ggf. Maßnahmen zum Gegensteuern ergreifen zu können.
    Mit freundlichen Grüßen

    Klaus-Peter Gussfeld / BUND-Verkehrsreferent




    Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier

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