Das neue Biosphärengebiet Schwarzwald / Südschwarzwald: Eine BUND-Information


Das neue Biosphärengebiet Schwarzwald / Südschwarzwald: Eine BUND-Information



Aktueller Einschub:


Wir freuen uns, dass 2017 das Biosphärengebiet Schwarzwald
von der UNESCO anerkannt wurde. Doch uns ist aufgefallen, dass bei den Feierlichkeiten und den offiziellen Reden das Wort "Natur" fast nicht vorkam. Dem BUND geht es nicht um ein Biosphärengebiet Schwarzwald bei dem nur Zuschüsse und Wachstum im Vordergrund stehen.


Neues Biosphärengebiet Schwarzwald
Südlich von Freiburg liegt das neue Biosphärengebiet Schwarzwald. Kurz vor der Landtagswahl, am 1. Februar 2016, wurde es aus der Taufe gehoben. Nach dem Nationalpark ist es das zweite Großschutzgebiet im Schwarzwald, dessen Verordnung der grüne Naturschutzminister Alexander Bonde unterzeichnen konnte. Im südlichen Schwarzwald eröffnet sich damit die Chance, die nachhaltige Entwicklung der Region zu fördern und zugleich eine jahrhundertealte Kulturlandschaft zu erhalten. Der BUND begleitet den Entwicklungsprozess, wenn er sich auch mehr Raum für den Naturschutz gewünscht hätte.

Neues Biosphärengebiet Schwarzwald
Biosphärengebiete sollen modellhaft zeigen, wie es gelingen kann, menschliche Nutzung in Einklang mit der Natur zu bringen. Mensch und Biosphäre gleichermaßen zu fördern ist die Grundidee. Und sie passt in den Südschwarzwald – zu Wiesental, Hotzenwald und der Umgebung des Feldbergs. Die Bevölkerung soll aktiv an der Entwicklung mitwirken, doch noch ziehen nicht alle mit.
29 Städte und Gemeinden sind vollständig oder teilweise im neuen Biosphärengebiet vertreten. Zwar waren Für- und Widerspruch hier zwar nicht ganz so heftig wie beim Nationalpark. Doch einige Gemeinden verweigerten die Teilnahme oder brachten nur Gemarkungsteile ein. Der zerklüftete Umriss des neuen Biosphärengebiets und die Schrumpfung der ursprünglichen Kulisse um ein Viertel ist eine direkte Folge dieses vom Land eingeräumten kommunalen Selbstbestimmungsrechts.
Als vor acht Jahren das Biosphärengebiet auf der Schwäbischen Alb gegründet wurde, hatten sich auch dort einige Kommunen gesträubt. Heute drängen sie darauf, nachträglich beitreten zu dürfen. Denn welche Vorteile ein Biosphärengebiet den Kommunen bringen kann, ist dort mittlerweile gut erkennbar: Die regelmäßigen Zusammenkünfte der Kommunalpolitiker und -politikerinnen sowie weiterer Stakeholder1 fördern die Zusammenarbeit unter den Gemeinden. Gute Lösungsansätze für den ländlichen Raum werden weitergegeben und in Projekten gefördert. Die Zivilgesellschaft wirkt am Rahmenkonzept mit und beteiligt sich an der Öffentlichkeitsarbeit. Das stärkt die Identifikation der Menschen mit ihrer Region. Auch der sanfte Tourismus erhält Rückenwind. Eine gut ausgebaute Erholungs-Infrastruktur, die regionale Markenbildung und die Qualitätssteigerung bei den Biosphären-Partnerbetrieben kommen ihm zugute. Und schließlich profitiert er vom Erhalt einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft, die in Zeiten der globalisierten Landwirtschaft in Umfang und Qualität so stark gefährdet ist.

Einzigartige Kulturlandschaft verdient ein besonderes Prädikat
Die Landschaft im neuen Biosphärengebiet ist geprägt durch den Wechsel zwischen Wäldern und offenen Weidfeldern - eine Besonderheit des Südschwarzwaldes. Weil sich das Grünland auf den nährstoffarmen Standorten großflächig nur für die lockere Beweidung mit Rindern, Schafen und Ziegen eignet, konnte sich dort eine Bewirtschaftungsform halten, die es mindestens seit dem Mittelalter gibt: Die Allmende, das Gemeinschaftseigentum einer ganzen Dorfgemeinschaft. Bis heute sind die Weiden zu großen Teilen nicht zerstückelt und privatisiert, sondern weiterhin im Eigentum der Gemeinden. Nicht nur die regionale alte Rinderrasse „Hinterwälder“ ist hier wieder öfter anzutreffen, sondern auch botanische Raritäten finden ideale Bedingungen: der Flügelginster, die Arnika, die Silberdistel und der Gelbe Enzian. Charakteristisch sind auch die Weidbuchen, die – über Jahrzehnte vom Vieh verbissen – zu majestätischen Baumgestalten herangewachsen sind. Das Prädikat „Biosphärengebiet“ wird dazu beitragen, diese herrlichen Landschaften zu erhalten.

Mehrwert für den Naturschutz ausbaufähig
Und was bringt das neue Biosphärengebiet für den Naturschutz? Um es klar zu sagen: Der BUND hätte sich deutlich mehr gewünscht. Entgegen der Befürchtungen von Landwirtschaftsfunktionären und Wintersportlobbyisten ist der Mehrwert für den Naturschutz bisher eher begrenzt. Nur drei Prozent der Fläche sollen als Kernzonen des neuen Biosphärengebiets dauerhaft sich selbst überlassen bleiben. Wenige Flächen wurden dafür neu ausgewiesen, großenteils handelt es sich um bereits bestehende Bannwälder. Zieht man von der Kernzonenfläche noch die Verkehrssicherungsflächen entlang von Straßen ab, wo jederzeit Bäume gefällt werden können, wird die UNESCO-Mindestvorgabe von drei Prozent Kernzone sogar deutlich unterschritten. Es bleibt zu hoffen, dass die UNESCO auf eine Erweiterung drängt. Auch der Beitritt neuer Gemeinden und Gemarkungen böte eine Chance, die Prozessschutzfläche zu vergrößern. Nach frühestens zehn Jahren ist das laut Verordnung möglich.

BUND aktiv im Biosphärengebiet
Der BUND arbeitet bei aller notwendigen Kritik von Anfang an engagiert bei der Vorbereitung und dem weiteren Aufbau des Biosphärengebiets mit. In der „Verbänderunde“ beraten BUND-Haupt- und -Ehrenamtliche regelmäßig mit Aktiven anderer Naturschutzverbände darüber, wie der Naturschutz im Biosphärengebiet besser zum Zuge kommen kann. Ihre Vorschläge bringen sie in die für die Planung zuständigen Gremien ein.
Wer das Biosphärengebiet unter fachkundiger Anleitung erkunden möchte, der ist beim BUND Hochrhein an einer guten Adresse. Der Regionalverband bietet dieses Jahr ein attraktives Programm an: mit Naturerlebniswanderungen in Bannwälder und Naturschutzgebiete, Besichtigungen von Modellbetrieben und handfesten Mitmachaktionen für Groß und Klein!








Weidbuchen im geplanten Biosphärengebiet Südschwarzwald


Zu den schönsten und beeindruckendsten Baumgestalten im im geplanten Biosphärengebiet Südschwarzwald, zählen die Weidbuchen. In ihrer bizarren Form drückt sich auch Geschichte aus. Geschichte von Menschen und von Bäumen, vor allem aber Geschichte von guten und schlechten Zeiten auf dem Wald...











Früher standen Weidbuchen
fast überall auf den alten Weidfeldern im Südschwarzwald. Heute sind diese landschaftsprägenden Baumgestalten leider selten geworden.

Weidbuchen sind eine besondere Wuchsform
der Rotbuche. Ursache für ihr eigentümliches, skurriles Wachstum ist der Verbiss durch das Vieh, denn die Rinder auf den Weiden fressen gerade in Mangeljahren neben Gras und Kräutern auch gerne die Blätter und Triebe junger Buchen. So litten die Jungbuchen in wirtschaftlich armen Zeiten jahrzehntelang unter dem Verbiss und dem Tritt des Viehs. Trotz Verbiss trieben einige der kleinen Buchenbüsche jedes Jahr erneut aus. So wurde aus den kleinen jungen Pflanzen langsam ein „Kuhbusch“. Ein kleines, unscheinbares Büschlein kann bis 50, in manchen Fällen auch über 100 Jahre alt sein.


Der Lebensweg der Weidbuchen


Zum Vergrößern von Bildern und Grafik einfach anklicken
(Diese leicht überarbeitete Grafik ist dem Buch "Weidbuchen im Schwarzwald und ihre Entstehung durch Verbiß des Wälderviehs" entnommen - sie können das Buch hier erwerben.)


Nach vielen Jahrzehnten reicht das Kuhmaul
nicht mehr in die Mitte des Kuhbusches und die mittleren Triebe wachsen schnell in die Höhe. Die kleinen Stämme wachsen eng aneinander und manchmal sogar zu einem dicken Stamm zusammen. So wird aus dem "badischen Bonsai" nach Jahrzehnten ein Baum und nach über hundert Jahren eine beeindruckende, landschaftsprägende Baumgestalt, die auch von der Geschichte des Schwarzwaldes erzählt. Manche Weidbuchen im Schwarzwald haben einen Umfang von bis zu sieben Metern. Irgendwann, nach 200 Jahren brechen die Weidbuchen zusammen und aus vermoderndem Holz wächst neues Leben.

Die Weidbuchen im Wiesental, am Schauinsland und Belchen
wurden in den Jahren 2003 bis 2006 zahlenmäßig erfasst. An 1600 Stellen, wurden noch Weidbuchen gefunden: kleine Kuhbüsche, Jungbäume, beeindruckende, freistehende Exemplare und uralte Bäume.


Die heutige Form der Kuhhaltung und der Milchwirtschaft
würde die Entwicklung vom Kuhbusch zur Weidbuche nicht mehr zulassen. Am Wiedener Eck gibt es erste Versuche von Naturschützern und Biologen eine neue Generation von Weidbuchen wachsen zu lassen.



Die "katholischste" aller Weidbuchen ist die alte Buche beim "Balzer Herrgott" - eine eingewachsene steinerne Christusfigur bei Wildgutach im Schwarzwald.


Text und Fotos: Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer





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  • Link: Webgeo, interessante Informationen und Grafiken zum Thema Weidbuchen
  • Info: Bedrohte Artenvielfalt am Oberrhein

    Notwendiger Nachtrag:
    Die wenigen, erhalten gebliebenen, historischen Altstädte und die restlichen Naturschutzgebiete am Oberrhein verbindet eines: Sie sind zunehmend Inseln in einem Meer von Scheußlichkeit.

    Axel Mayer





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    Wo sind die vielen NaturschützerInnen & BiologInnen
    in den wichtigen, aktuellen Naturschutzkonflikten am Oberrhein? Es gibt am Oberrhein eine Vielzahl von Menschen mit einem großen Wissen und Sachverstand in Sachen Natur und Umwelt. Doch in den großen Konflikten um unsere bedrohte Restnatur, sei es beim IRP, beim Schmetterlingssterben, bei den Themen Flächenverbrauch und Zersiedelung halten sie sich meist "vornehm" und schüchtern zurück und überlassen die öffentliche Debatte & Leserbriefe den gut organisierten Lobbyisten und dem Stammtisch. Manche Spezialisten sehen auch nur ihr "Lieblingsbiotop" und vergessen darüber den großen Zusammenhang. Nur gemeinsam können wir wir die aktuellen Zerstörungsprozesse bremsen!
    Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer