Ich schwöre ab:
jegliche Gewalt,
jedweden Zwang,
und selbst den Zwang,
zu andern gut zu sein.
ich weiß:
ich zwänge nur den Zwang.
Ich weiß:
das Schwert ist stärker
als das Herz,
der Schlag dringt tiefer
als die Hand,
Gewalt regiert,
was gut begann,
zum Bösen.
Wie ich die Welt will
muß ich selber erst
und ganz und ohne Schwere werden.
Ich muß ein Lichtstrahl werden,
ein klares Wasser
und die reinste Hand
zu Gruß und Hilfe dargeboten.
Stern am Abend prüft den Tag,
Nacht wiegt mütterlich den Tag.
Stern am Morgen dankt der Nacht.
Tag strahlt.
Tag um Tag
sucht Strahl um Strahl.
Strahl an Strahl
wird Licht,
ein helles Wasser strebt zum andern,
weithin verzweigte Hände
schaffen still den Bund.
J'abjure:
toute violence
toute contrainte
et la contrainte même
d'être bon avec les autres
Je sais
je ne ferais que contraindre la contrainte
Je sais
l'épée est plus forte
que le cœur
le coup pénètre plus profond
que la main
la violence dirige
ce qui commence bien
vers le mal
Tel que je veux le monde
je dois d'abord devenir moi-même
tout entier, sans pesanteur
Je dois devenir un trait de lumière
une eau claire
et la main la plus pure
tendue pour le salut et le secours
Etoile du soir scrute le jour
Nuit comme une mère berce le jour
Etoile du matin rend grâce à la nuit
Jour luit
Jour après jour
cherche trait après trait.
Trait contre trait
devient lumière
une eau claire aspire à l’autre,
en silence, étroitement enlacées
des mains font alliance.
René Schickele traduit par Aline Martin
Im März 2018 veranstaltete der BUND in Endingen eine Veranstaltung zu René Schickele
Unter der Überschrift "Er war ein leidenschaftlicher Elsässer Pazifist" verfasste Christel Hülter-Hassler dazu einen BZ-Bericht
ENDINGEN. Obwohl der 1883 in Oberehnheim im Elsass geborene Schriftsteller René Schickele zu seiner Zeit als brillanter Autor und hellhöriger Beobachter von politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen von sich reden gemacht hat, ist sein Leben und Werk heute fast in Vergessenheit geraten. Jetzt war Schickele in der Kornhalle in Endingen Thema.
Denn dieses ins Vergessen-Geraten war ein Grund für den Regionalverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Gruppe Nördlicher Kaiserstuhl, am vergangenen Sonntag zu einer szenischen Lesung über Leben und Werk des leidenschaftlichen Pazifisten in die Kornhalle einzuladen. "Regionalkultur ist ein wichtiger Aspekt von Umweltarbeit", erklärt BUND-Geschäftsführer Axel Mayer eingangs den rund 50 Besuchern.
Über den guten Besuch freuen sich die vier aus Straßburg angereisten Künstler sichtlich sehr. "Hier sind mehr Interessierte als bei unseren Lesungen im Elsass", sagte Aline Martin. Der Grund liegt auf der Hand: René Schickele ist als Sohn eines deutschen Weingutbesitzers und einer französischen Mutter zwar mit Deutsch, Französisch und Elsässisch aufgewachsen – hat aber fast ausschließlich in der deutschen Hochsprache geschrieben. "Nur in dieser Sprache können wir zum ganzen Deutschland reden", war der politisch engagierte Schriftsteller schon in jungen Jahren überzeugt. Bereits im Alter von 18 Jahren gab Schickele zusammen mit Freunden die Zeitschrift "Stürmer" heraus und studierte dann in Straßburg, Paris, München und Berlin.
Am Sonntag in der Kornhalle rezitiert Schickele-Kenner Charles Fichtner ausgesuchte Passagen seiner Werke. Jean Lorrain und Aline Martin kommentieren die Texte und Saxophonist Romain Pivard setzt die bewegende Grundstimmung des literarischen Vermächtnisses einfühlsam musikalisch in Szene. René Schickele verstand sich lebenslang der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich verpflichtet – getreu der Erkenntnis: "Meine Herkunft ist mein Schicksal." So warnte er schon früh vor der drohenden Kriegsgefahr: " Wir Elsass-Lothringer können gar nichts anderes sein als leidenschaftliche Pazifisten. Wir können nie und nimmer gelten lassen, dass ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unvermeidlich sei – weil dieser Krieg das Fürchterlichste wäre, das uns widerfahren könnte!" Der Erste Weltkrieg aber ist dann nicht aufzuhalten. Bald nach seinem Ausbruch im August 1914 veranschaulicht René Schickele das Los der Elsässer mit drastischen Worten: "Spannen Sie einen Menschen mit Armen und Beinen zwischen zwei Pferde, jagen Sie die Pferde in entgegengesetzte Richtungen davon – und sie haben genau das erhabene Schauspiel der elsässischen Treue!" Während solcher in schlichter Dramatik dargebotenen Rezitationen wichen manchem Zuhörer Tränen aus dem Augenwinkel... "Ich liebe sie zärtlich, meine Elsässer, von denen jede Generation mit blutigen Köpfen von einer fremden Wahlstatt heimkehrt ... Sooft ich in der Welt den Klang ihrer Sprache höre, fahre ich auf, als ob mich jemand beim Namen riefe" hat Schickele seine Verwurzelung mit dem Schicksal der Menschen in seiner Heimat beschrieben. Er selbst hat das Elsass als Kind unter preußischer Herrschaft erlebt, besuchte die deutsche Schule und verteidigte als Literat bis zu seinem Tod im Januar 1940, kurz vor dem neuen Krieg zwischen Deutschen und Franzosen, die Liebe zur deutschen Sprache.
Aufrüttelnd an diesem Abend sind nicht nur die gesprochenen Zeugnisse von René Schickeles eigener Wahrnehmung von sich als "Grenzmenschen", sondern auch die von ihm aufgezeigten Parallelen zwischen der Zerstörung des Menschen und der der Landschaft: "Um das Maß der Unschuld, der Glücksfähigkeit in sich zu ermessen, trete man vor die Landschaft!" schreibt der inzwischen zum unverstandenen Außenseiter abgestempelte Dichter nach dem Ersten Weltkrieg.
Am Ende der mit großem Beifall von den äußerst aufmerksam zuhörenden Besuchern gewürdigten Lesung nutzen viele Besucher die Gelegenheit, sich mit den Künstlern ins Gespräch zu setzen. Aline Martin bringt das große Interesse der Zuhörer an diesem fast vergessenen Dichter wohl auf den Punkt: "Im Zusammenhang mit René Schickele kann man viel erklären!"
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