Kreisgruppe Bad KreuznachSonntag, 24. August 2003 „Von Heil- und Hexenkräutern“Heil- und Hexenkräuter – mit diesem Motto wollten wir keineswegs der schwarzen Magie frönen, sondern aufzeigen, dass viele der scheinbar so unscheinbaren „Un-kräuter“ am Wegesrand oder zwischen den Blumenbeeten über wahre Wunderkräfte verfügen.Erstmals bei den Heimischen Zaubergärten: Tina Zipf von Salvialea – der kleinen Kräutergärtnerei in Leisel (bei Birkenfeld). Bei Ihrem Vortrag konnten die Besucher lernen, wie man einen eigenen Kräutergarten richtig plant und pflegt. Mit dem 900. Geburtstag Hildegards von Bingen im Jahr 1998 erwachte ein regelrechter Kräuterboom – Michael von Hilchen und Monika Frank widmeten ihre interessanten Vorträgen der großen Heilerin und Gelehrten unserer Heimat. Aber nicht erst die Klöster entdeckten das Kräuterwissen, nein, die Kenntnis über die Wirkung verschiedener Pflanzen ist viel, viel älter und nicht allein uns Menschen vorbehalten: In Tansania hat man beobachtet, dass Schimpansen bei Magen-Darm-Beschwerden gezielt eine bestimmte Pflanzenart aufsuchen, deren Blätter ein natürliches Antibiotikum enthalten; ähnliches berichten Forscher auch von Gorillas. In einer Höhle im Irak bestatteten vor ca. 70.000 Jahren Neandertaler ihre Toten und verstreuten Beifuß – auch Mugwurz genannt - auf dem Boden, das gleiche Kraut findet sich auch in den berühmten Höhlen von Lascaux, in der vor rund 19.000 Jahren altssteinzeitliche Rentierjäger ihre wunderbaren Gemälde hinterließen. Die Kelten und Germanen flochten daraus ihre Sonnwendgürtel und bis in unsere heutige Zeit hat sich der Brauch erhalten, die Martinsgans mit Beifuß zu würzen, um das Fett verträglicher zu machen. Friedmunt Sonnemann berichtete in seinem Vortrag Interessantes über Schamanenkräuter. Archäologische Ausgrabungen belegen, dass unsere jungsteinzeitlichen Vorfahren bereits mit Mohn, Kümmel und Angelika würzten. Erste schriftliche Aufzeichnungen über die Anwendung von Kräutern finden sich auf assyrischen Steintäfelchen, auch die Chinesen, Inder und Ägypter haben ihr Kräuterwissen schriftlich überliefert. Die Antike brachte viele berühmte Kräuterkundige hervor, wie z. B. Hippokrates (ca. 460 – 337 v. Chr.) und Theophrastus (ca. 372 – 287 v. Chr.), deren Bücher fast 2000 Jahre als Basis der abendländischen Medizin dienten. Spätestens seit Asterix und Obelix sowie ihrem Druiden Miraculix wissen wir, dass die Kelten nicht nur für ihren Zaubertrank Heilkräuter ernteten. Das Wissen der Kelten, die bekanntermaßen keine schriftlichen Aufzeichnungen machten, wurde insbesondere von den weisen Frauen und alten „Kräuterweiblein“ weitervermittelt, bis diese von der Inquisition verfolgt wurden und mit ihnen ein Großteil ihres Wissens auf den Scheiterhaufen verbrannte. In den Klöstern, wo man des Schreibens und Lesens kundig war, ging man daran, diesen unendlichen Informationsschatz schriftlich zu fixieren. Auch Hildegard von Bingen hat sicherlich viele Informationen aus dem alten Volkswissen aufgegriffen. Die Erfindung des Buchdruckes trug entscheidend dazu bei, die berühmten Kräuterbücher der Renaissance wie z. B. von Leonhard Fuchs (1543), Hieronymus Bock (1539) und anderer zu verbreiten. Im 18. und 19. Jahrhundert kam es dann zu einer erneuten Hochblüte der Kräuteranwendung. Hierfür stehen so berühmte Namen wie Samuel Hahnemann, Sebastian Kneipp oder Johann Künzle. Während das 20. Jahrhundert durch die vermeintlichen Errungenschaften der chemischen Industrie geprägt war, ist die Pharmaindustrie zu Beginn des 21. Jahrhunderts gerade dabei, die Phytotherapie neu zu entdecken und den Naturvölkern ihr Heilwissen zu entlocken. Speziell die Regenwälder Lateinamerikas stehen im Focus dieses milliardenschweren Industriezweiges. Nach der Ausbeutung der Bodenschätze erfolgt nun die Wissensausbeutung der indianischen Kulturen, die über ein tief verwurzeltes Heilwissen verfügen. Anstatt die Wissensträger angemessen am Gewinn zu beteiligen, wandern die Einnahmen fast ausschließlich in die Taschen der Konzerne. Die Indianer werden – wie seit Jahrhunderten üblich – mit billigen Glasperlen und Messern „bezahlt“. Darüber hinaus bleibt zu befürchten, dass die Heilpflanzen an ihren Standorten ausgerottet werden, wie es mit den Tropenhölzern ja teilweise schon geschehen ist. Auch gegen diese moderne „Biopiraterie“ wollen wir mit unserer Messe, bei der es vor allem um heimische Produkte geht, ein Zeichen setzen. Unsere Aussteller halten eine breite Palette von Heil- und Würzpflanzen bzw. Pflanzenprodukten für Sie bereit, für deren Gewinnung weder die Natur noch andere Völker ausgebeutet wurden. Pflegeleicht und ausdauernd sind unsere heimischen Kräuter darüber hinaus auch noch. Gerade der extrem trockene Sommer des Jahrs 2003 hat wieder einmal gezeigt, dass fehlender Regen und viel Sonnenschein den meisten Kräutern nichts ausmachen und sie sogar üppig gedeihen, während viele andere Pflanzen trotz regelmäßiger Bewässerung vertrocknen - warum also nicht die ewig durstigen Geranien und Petunien am Balkon durch würzige Kräuter ersetzen oder auf dem großen kahlen Fleck im Rasen eine Kräuterspirale anlegen? Viele der Aussteller hatten „Kräuterpatenschaften“ übernommen und stellten ihr jeweiliges Lieblingskraut vor. Auf die verschiedenen Arten, Sorten und Eigenschaften des Thymians ging Hans Faus von der BUND-Ortsgruppe Guldental in seinem Vortrag näher ein. Wir von der BUND-Kreisgruppe Bad Kreuznach stellten gleich drei Heilpflanzen vor: Während die Kindergruppe neue Seiten des vermeintlich bekannten Löwenzahns aufzeigte, ging der Freundeskreis Gesundheit auf die Heilwirkungen und Verwendungsmöglichkeiten des Salbeis ein. Aber bei unserem Motto durften natürlich die „Hexenkräuter“ nicht zu kurz kommen: Wir wählten einen klassischen heimischen Vertreter der „Zauberkräuter“: die Tollkirsche – ein Nachtschattengewächs, das auch unter dem Namen Atropa Belladonna bekannt ist.
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