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Plakette für umweltfreundliche Autos?

Im Zuge der öffentlichen Klimadiskussion hat der Bundesverkehrsminister vor Ostern die Einführung eines Klimapasses für Neuwagen vorgeschlagen. Wie bei der „weißen Ware“ der Haushaltsgroßgeräte sollen die in Deutschland verkauften neuen Pkw noch in diesem Jahr durch eine Plakette nach ihrer Energieeffizienz gekennzeichnet werden.

Worum geht es?
Nach einem Vorschlag der EU-Kommission müssen die neu von den europäischen Herstellern zugelassenen Pkw bis 2012 mit Hilfe fahrzeugtechnischer Maßnahmen einen Wert von 130 g CO2 pro km einhalten. Das entspricht 5,7 Liter/100 km bei Benzin- und 5,0 l/100 km bei Dieselmotoren. Zusätzliche Maßnahmen wie der Einsatz von Biosprit und andere, noch nicht näher definierte Maßnahmen sollen eine Absenkung um weitere 10 g CO2 pro km sicherstellen. Die in Deutschland verkauften Neuwagen lagen 2006 bei einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 170 g/km (7,5 l/100 km Benzin, 6,6 l Diesel) und damit mehr als 10 g über dem europäischen Durchschnitt.

Heute findet bereits jeder Verbraucher Angaben über den CO2-Ausstoß und den Kraftstoffverbrauch von Neuwagen auf den Websites der Autohersteller, in Din A4-Größe auf den Modell in den Verkaufsräumen und in einer aktuellen Broschüre des Verbandes der Automobilindustrie, den er kostenlos vom Händler oder vom anfordern kann (www.dat.de.) Wer über den Normverbrauch seines Autos Bescheid wissen will, für den sind dieses Infos leicht zugänglich.

Normverbrauch oft Augenwischerei
Tiefensee Vorschlag würde also keine Verbesserung bringen, sondern den Normverbrauch nur von nackten Zahlen in eine bunte Farbskala übersetzen von dunkelgrün für „sehr gut“ bis dunkelrot für „sehr schlecht“. Das würde dem Verbraucher aber nicht weiterhelfen, weil er die Information, die er dringend braucht nicht bekommt: Ihn interessiert der reale Verbrauch. Der liegt in der Regel einen Liter über dem Normverbrauch, der bei idealen Verhältnissen von 30 °C und ausgeschalteter Klimaanlage gemessen wird. Mit eingeschalteter Klimaanlage und bei voller Ausstattung wird deshalb meist aus dem gekauften 7-Literauto in der Fahrpraxis ein 10-Literauto.

Plakette für den realen Verbrauch
Eine Energiekennzeichnung muss den Verbraucher über den realen Verbrauch aufklären. Nur dann macht eine Plakette auch für den BUND Sinn.
Die Kennzeichnung muss von einem familientauglichen Fünfsitzer-Pkw ausgehen. Sie könnte dann die realen Verbräuche in sieben Klassen von der besten Technik bis zum Spritfresser einstufen:


Liter/100 km CO2-Emission in g/km Motor
10,5 240 Benzin
9,3 Diesel
8,8 200 Benzin
7,8 Diesel
7,5 170 Benzin
6,6 Diesel
6,1 140 Benzin
5,4 Diesel
5,3 120 Benzin
4,7 Diesel
4,4 100 Benzin
3,9 Diesel
3,5 80 Benzin
3,1 Diesel


Zuzüglich müsste auch der Reifen- und Fahrzeuglärm aufgeführt werden.
Die Kategorie „Nutzungsinhalt“ bei der „weißen Ware“ könnte durch einen Benchmark pro Sitzplatz angegeben werden. Der Effizienzstandard sollte derzeit bei 20 g CO2 pro Sitzplatz liegen. Das entspräche dem Standard des Toyota Prius, der 100 g CO2/km emittiert.

Über die „weiche“ Maßnahme Effizienzkennzeichnung dürfen aber nicht die Projekte Reform der Kfz-Steuer und Beseitigung der Steuerprivilegien für Firmen- und Dienstwagen vergessen werden. Wenn hier klare Anreize gesetzt werden, wird das die Nachfrage nach verbrauchssparenden Pkw viel stärker befördern als eine noch so elegante Plakette. Hier ist Tiefensee in der Pflicht, noch in diesem Jahr Vorschläge auf den Tisch zu legen. Nur dann werden auch die deutschen Hersteller ihre Klimaschutzverpflichtung erfüllen.

Werner Reh (BUND-Verkehrsreferent)


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