BUND Kreis Höxter

Jedes Hochwasser wird zum Salzschock

In Beverungen (Kreis Höxter) stellt sich Kali und Salz erstmals einer öffentlichen Diskussion

Anfang Dezember hatte die Neue Westfälische erstmals über die Absichten der nordhessischen Kali und Salz AG berichtet, die Einleitung salzhaltiger Abwässer in die Werra zu erhöhen, wodurch auch eine Verschlechterung der Wasserqualität der Weser zu erwarten ist. Seither formiert sich ein immer größerer werdender Widerstand gegen das Vorhaben.



Hochwasser in der Weseraue - bei Höxter (Foto: Mathias Lohr)


Am Montagabend hat sich das nordhessische Bergbauunternehmen mit Verwaltungssitz in Kassel erstmals aus der Deckung gewagt und in einer öffentlichen Diskussion, die von den Weserstädten im Dreiländereck initiiert worden war, Stellung bezogen. Rund 200 im Naturschutz engagierte Weseranrainer waren bei der Diskussion in der Beverunger Stadthalle dabei und hatten auch kritische Fragen im Gepäck.

Weserlachs war vor 100 Jahren eine beliebte Delikatesse. Mit dem Lachs als Leitfisch war die Weser einer der artenreichsten Flüsse Europas. Dann kam der Kalibergbau, der Werra und Weser versalzen ließ. Insbesondere Einleitungen aus der ehemaligen DDR führten dazu, dass mit Spitzenwerten von 30 Gramm pro Liter, die Werra ein Drittel salziger war als die Nordsee. Auch die Weser war mehr oder weniger klinisch tot.

Heute hat die Weser im Kreis Höxter einen Salzgehalt von durchschnittlich 0,6 Gramm pro Liter. "Wir vermuten einen Anstieg um zehn Prozent für unsere Region, was nicht zu gravierenden Veränderungen führen sollte", gab sich Naturschützer Dr. Burkhard Beinlich, Leiter der Landschaftsstation Kreis Höxter, im Grundsatz zunächst moderat. Doch auch bei dieser Diskussion sollte der Teufel im Detail stecken.

Detailliert erläuterte Kali und Salz-Kommunikationsleiter Oliver Morgenthal das Wie und Warum der geplanten Salzeinleitung: Ursache ist der gigantische 200 Meter hohe und 100 Mio. Tonnen schwere Abraum-Salzberg am Kaliwerk Neuhof-Ellers. Bei Regen wäscht sich dort Salz aus. Die Mengen sind zu groß, um aufgefangen werden zu können Deswegen soll eine 63 Kilometer lange Abwasser-Pipeline zum Kaliwerk in Philippsthal gebaut werden. Philippsthal liegt an der Werra, in die die Abwässer eingeleitet werden sollen. "Die Einleitung wird von uns so gesteuert, dass der Grenzwert nicht überschritten wird", betonte Morgenthal.

Darum soll nur bei Hochwasser eingeleitet werden, wenn der Verdünnungsgrad entsprechend höher ist. "Eine Verstetigung des Salzgehalts zwischen Hoch- und Niedrigwasserständen wirkt sich sogar positiv auf das Ökosystem aus", sagte Morgenthal. Dem stimmte auch Landschaftsstationsleiter Dr. Beinlich im Grundsatz zu. "Ein gleichbleibender - wenn auch hoher - Salzgehalt verringert das Stresspotenzial bei den Fischpopulationen", erklärte Beinlich.

Doch der Teufel steckt in den Details und die erläuterte Biologe Beinlich in seinem Antwortvortrag. Bisher bleibt das Salz im Wasser gebunden. Salzfrachten bei Hochwasser führen dazu, dass sich in den Überschwemmungsflächen Salzrückstände ablagern. "Die Auen könnten versalzen, die Landwirtschaft beeinträchtigt und die Qualität von Brunnen herabgesetzt werden", sagte Beinlich. Besonders schädliche Auswirkungen hätte die Versalzung auf den Amphibienbestand. "Insbesondere Frösche, Kröten und Molche reagieren sehr sensibel auf Salzbelastung", warnte Beinlich. Wanderfische verlören die Orientierung und unklar seien die Auswirkungen auf den Fischbestand der Nebengewässer.

Den Grenzwert von 2,5 Gramm pro Liter auf den sich Kali und Salz bezieht, nannte Beinlich einen Anachronismus. 1942 sei dieser Wert zur kriegsbedingten Aufrechterhaltung der Produktion festgelegt worden. Heute spricht die EU-Wasserrahmenrichtlinie bei einem Salzgehalt von unter 0,2 Gramm pro Liter von einer guten Wasserqualität.

Beinlich regte an "doch die Alternative einer Pipeline in die Nordsee genau zu prüfen". Diese ökologisch unschädliche Variante ist Kali und Salz aber zu teuer. Während die kleine Pipeline in die Werra mit rund 30 Mio. Euro zu Buche schlägt, würde die Nordsee-Pipeline nach Aussage Morgenthals mehrere 100 Mio. Euro kosten. Die Bereitschaft von Kali und Salz über eine Alternative zur Werra-Einleitung ernsthaft nachzudenken, offenbarte Morgenthal in seiner Antwort auf die Frage von Anja Piel aus Hameln.

Die stellvertretende Landesvorsitzende der niedersächsischen Grünen wollte wissen, welchen Plan Kali und Salz in der Schublade habe, für den Fall, dass das Land Hessen die Genehmigung verweigere. "In letzter Konsequenz reden wir über Arbeitsplätze", sagte Morgenthal und malte das Bild von "5.000 protestierenden Kali-Kumpeln vor dem Regierungsgebäude in Wiesbaden" an die Wand.

Beeindrucken konnte Morgenthal mit solchen Drohgebärden nicht. "Selbst eine geringfügige Verschlechterung ist schon zu viel", brachte Günter Zirklewski (71) aus Beverungen, was viele dachten, unter Applaus auf den Punkt. Zusammen mit seiner Ehefrau Magda übergab der Vorsitzende des Fischereivereins Oberweser den Podiumsteilnehmern und NRW-Landtagspolitikern Jürgen Unruhe (SPD) und Hubertus Fehring (CDU) 1.330 Protest-Unterschriften, die die Mitglieder in kürzester Zeit gesammelt hatten. Die Fischereifreunde fürchten, dass Salzablagerungen an den Ufern den im Flachwasser abgelegten Fischlaich nachhaltig schädigen könnte.

Neue Westfälische
vom 07. Februar 2007.


Vortrag

Ökologische Auswirkungen der geplanten Kali-Laugeneinleitung der Kali & Salz GmbH auf das Wesersystem (pdf).


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