BUND-Kommentar zur Erhöhung der Bahnpreise

von BUND-Verkehrsreferent Tilmann Heuser

Berlin, 21.9.2004:
Die Bahn erhöht die Preise. Für die Kunden ein Frusterlebnis. Für den Nicht-Kunden die Bestätigung, dass die Bahn zu teuer und damit unattraktiv ist. Kommunikationspolitisch fatal – mehr Fahrgäste lassen sich mit dieser Botschaft erst einmal nicht gewinnen. Die gestiegenen Energiekosten können nur bedingt als Begründung dafür angeführt werden. Vielmehr ist es die weiterhin trotz besser ausgelasteter Züge angespannte Erlössituation der Bahn, die bei andauerndem Defizit der Fernverkehrssparte Preisanpassungen bedingt. Und teilweise auch Folge, dass die BahnCard 50 auf Druck der Kunden beibehalten wurde, die Kombi-Möglichkeiten der BahnCard 25 mit den Sparpreisen erhalten bleiben. Das neue Preissystem wird zunehmend wieder dem alten angepasst, die im Zuge des ursprünglich geplanten Wegfalls der massiven Senkungen der Normalpreise über große Strecken schrittweise zurückgeholt. Für die meisten Kunden gilt daher weiterhin trotz höherer Normalpreise und dank weiterhin möglicher Rabatte: Bahnfahren ist günstiger als noch im Jahr 2002. Gerade zu sozialrevolutionär in Zeiten von Harz IV muten die überproportionalen Preissteigerungen für Kunden der 1. Klasse an. Die komfortorientierten Besserverdienenden und Geschäftskunden dürfen damit wie im Flugverkehr für die weiter fortgeführten Sonderangebote für Wenigverdiener und Familien mit bezahlen. Immerhin eine positive Botschaft in Zeiten des Sozialabbaus.

Dass Kundenverbände die Preiserhöhungen kritisieren, ist berechtigt und muss auch sein. Aber von Seiten der Politik? Für deren Vertreter ist die Preiserhöhung Anlass, sich als Vorkämpfer für die Kunden darzustellen und wohlfeile Kritik am Bahnmanagement zu üben. Es kostet sie ja nichts. Und ist ein willkommener Anlass davon abzulenken, dass sie selbst ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Die im Koalitionsvertrag von rot-grün beschlossene Halbierung der Mehrwertsteuer im Fernverkehr steht nicht erst zur Disposition, seit die Bahn ihre Preiserhöhungen angekündigt hat. Sie wurde schon lange von Hans Eichel zur Sanierung seines Haushaltes einkassiert und wäre wahrscheinlich nur dann durchsetzbar, wenn die Bahn an anderer Stelle auf Zuschüsse verzichtet. Die Preiserhöhungen insbesondere im Regionalverkehr wiederum dienen zum einem großen Teil dem Ausgleich der Mittelkürzungen für den ÖPNV. Die Senkung der Regionalisierungsmittel um zwei Prozent, die Kürzung der Schwerbehindertenmittel, Verringerungen bei den Ermäßigungen für Energiesteuern und so weiter bedingen Mindereinnahmen für die Unternehmen, die jetzt der Kunde ausgleichen muss. Dagegen bleibt der Abbau von Steuervergünstigungen für den Flugverkehr weiterhin politische Rhetorik, können die Billigflieger weiterhin kerosinsteuerbefreit der Bahn mit Dumpingangeboten die Kunden wegnehmen. Statt übereinander zu schimpfen sind deshalb jetzt Taten gefragt, damit die Bahn in den kommenden Jahren attraktiver für die Kunden wird.

Den angestrebten Börsengang für den eisernen Sparkurs und die Preiserhöhungen bei der Bahn verantwortlich zu machen, klingt zwar plausibel, ist es aber nicht. Denn welcher Investor sollte Interesse haben, sein wertvolles Kapital in eine abgewirtschaftete Bahn zu investieren. Vielmehr deutet es auf eine Entwicklung hin mit massiven politischen Konsequenzen, die aber nur unter der Hand kommuniziert wird: das grandiose Scheitern der Bahnreform. Die Bahn hat kaum noch Eigenkapital, um in die Offensive zu gehen, zu investieren oder um Risiken einzugehen. Denn: „Rückläufige Bundesmittel und steigende Verschuldung in große Liquiditätsschwierigkeiten bringen werden, wenn der formellen Privatisierung nicht bald die materielle Privatisierung folgt. Eine weitere Aufnahme von Fremdkapital wird am Kapitalmarkt nicht möglich sein, ohne dass die Bahn ihre Kapitalstruktur konsolidiert. Die Bundesregierung will eine Kapitalerhöhung nicht mitmachen. Folglich ist eine Kapitalerhöhung über die Börse notwendig, bei der private Dritte das Kapital zur Verfügung stellen“ (Prof. Albach in seine Stellungnahme zur Bahnanhörung am 24. März 2004, S. 10). Der Kampf um den Börsengang – in Wahrheit ein Kampf um das Überleben der Deutschen Bahn AG?


Mit freundlichen Grüßen

Tilmann Heuser

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
Referat Verkehrspolitik
Am Köllnischen Park 1
10179 Berlin
Tel.: 030-27586435
Fax: 030-27586440
email: tilmann.heuser@bund.net


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